Brüssel – Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hält die Reaktion der Türkei auf die österreichische Forderung nach einem Einfrieren der EU-Beitrittsgespräche für "völlig überzogen". "Mangelnde Höflichkeit ist überhaupt nicht der Punkt, es gibt inhaltlichen Dissens", sagte Kern nach dem EU-Gipfel am Donnerstagabend in Brüssel.

Kern: "EU-Beitritt der Türkei kommt nicht infrage"

Die österreichische Position sei, dass "ein EU-Beitritt der Türkei nicht infrage" komme. Allerdings werde stets betont, die Türkei sei "ein wichtiger Partner" etwa in der Wirtschaft- und Sicherheitspolitik sowie in der Flüchtlingsfrage. Außerdem setze das Flüchtlingsabkommen, mit dessen Aufkündigung die Türkei der EU oftmals droht, "uns nicht einer einseitigen Erpressung" aus, sagte Kern im Hinblick auf die wirtschaftliche Abhängigkeit der Türkei. Es gebe "viel zu gewinnen und viel zu verlieren – auf beiden Seiten".

Türkischer Außenminister kündigte Konfrontationskurs an

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu hatte zuvor mit scharfer Kritik auf Österreichs Forderung nach einem Einfrieren der EU-Beitrittsverhandlungen reagiert und einen Konfrontationskurs angekündigt. Er werde von nun an "auf allen Ebenen gegen Österreich auftreten", sagte Çavuşoğlu laut Medienberichten vom Donnerstag.

Die Verhinderung einer gemeinsamen Erklärung des EU-Ministerrats vor zwei Tagen zu den Beitrittsgesprächen durch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) bewertet Kern nicht als provokant. "Das ist die Position Österreichs", verteidigte er das Handelns des Außenministers. Allerdings sei die Suche nach Bündnispartnern unter den EU-Staaten gescheitert, auch in Zukunft sehe er keine Mehrheit dafür. "Wenn die 27 diese Sorgen nicht teilen, wäre das für Österreich keine Grundlage, in eine Blockade zu gehen", so Kern.

Aus Erfahrung mit der Diskussion über das Freihandelsabkommen mit Kanada, in der Österreich ebenfalls Protest anmeldete, wisse er, dass "alle Dinge einen Preis" hätten. Und das müsse man sich auch bei der Türkei-Frage überlegen, so Kern. "Ich sehe das durchaus mit einem Anflug an Selbstkritik." (APA, 16.12.2016)