Viele Landwirte kehren dem Großhandel den Rücken und werden in der Direktvermarktung kreativ.

Foto: APA/Holger Hollemann

Wien – Solidarische Landwirtschaften, Lebensmittelkooperativen und Selbstbedienungscontainer für regionale Produkte: Direktvermarktung in der Lebensmittelproduktion geht längst über den Ab-Hof-Verkauf hinaus. "Österreichische Konsumenten haben ein wachsendes Interesse an der Herkunft ihrer Lebensmittel", sagte Marlene Wolfsteiner von Bio Austria im Gespräch mit dem STANDARD. Dieser Trend mache sich im steigenden Direktverkauf bemerkbar. Die bekanntesten Formen wären nach wie vor der Ab-Hof-Verkauf und Bauernmärkte. Letztere würden vor allem in Städten immer beliebter werden, heißt es bei Bio Austria.

Aber auch andere Modelle finden Zulauf: Österreichweit gibt es mittlerweile rund 80 Lebensmittelkooperativen. Bei den Einkaufsgemeinschaften schließen sich Privatpersonen zusammen und organisieren Sammelbestellungen von unterschiedlichen Höfen für alle Mitglieder. Die Produkte werden entweder selbst abgeholt oder geliefert. "So muss nicht mehr jeder einzeln zum Käse-, Getreide- und Gemüsebauern fahren", erklärte Wolfsteiner. Die Lebensmittel werden dann in einem gemeinsamen Lager bereitgestellt, für das entweder alle Mitglieder einen Schlüssel besitzen oder festgelegte Abholzeiten gelten.

Eine Form der Direktvermarktung sind solidarische Landwirtschaften, bei denen sich Konsumenten an den laufenden Kosten am Hof beteiligen.
Foto: Lisa Hörterer

Geteilte Landwirtschaft

Ein weiteres Modell sind solidarische Landwirtschaften. Bei diesen schließen sich Landwirte mit Konsumenten zusammen und entwickeln einen Budgetplan für den jeweiligen Hof. Die Kunden beteiligen sich an den laufenden Kosten der Landwirtschaft – von Gemüsesamen bis zur Krankenversicherung des Bauers – und erhalten im Gegenzug die angebauten Produkte. "Die Konsumenten zahlen also nicht für die Lebensmittel, sondern für die Landwirtschaft selbst", sagte Wolfsteiner. Derzeit gibt es in Österreich zwischen 25 und 30 solidarische Landwirtschaften.

Auch Obst- und Gemüsekisten sind – vor allem in Städten – eine beliebte Art des Direktbezugs. Landwirte liefern ihre Produkte in diesen wöchentlich direkt vor die Haustür. Den genauen Inhalt können sich die Konsumenten meistens nicht aussuchen, die Lebensmittel werden je nach Saison angepasst.

In Gemüsekisten gelangt frisches Obst und Gemüse einmal pro Woche vor die Haustüren der Konsumenten.
Foto: Heribert Corn

Viele Modelle sind aufgrund des vergleichsweise hohen Zeit- oder Kostenaufwands nicht für die breite Masse ausgelegt: "Die Produkte sind nicht immer und jederzeit verfügbar", erklärte Wolfsteiner. Außerdem gebe es in Kooperativen zumeist keine geregelten Öffnungszeiten. Deshalb wären sie vor allem für jene Menschen interessant, die grundsätzlich ein starkes Interesse an regionalen Produkten zeigen und auch den notwendigen Mehraufwand nicht scheuen. Aber nicht nur für Konsumenten ist die Vertriebsart interessant, auch für Landwirte selbst: Durch den direkten Verkauf fällt die Handelsspanne weg: "Der Preis wird nicht diktiert", sagte Wolfsteiner.

Eine Speisekammer für alle

Robert und Raza Holzer haben schon vor einigen Jahren begonnen, ihre Produkte direkt zu vermarkten: In umgebauten Containern namens Landspeis verkaufen das Ehepaar aus dem nördlichen Weinviertel ihr eigenes Obst, Gemüse und fertigverarbeitete Produkte wie Säfte und Öle. Sie bauen auf das Vertrauen ihrer Kunden – die Container sind reine Selbstbedienungsgeschäfte, die 24 Stunden am Tag geöffnet sind. Die Lebensmittel sind entweder kiloweise oder pro Stück mit Preisen versehen, Kunden rechnen den Betrag selbst zusammen und zahlen vor Ort.

Ein Selbstbedienungscontainer für regionale Lebensmittel.
Foto: Nora Laufer

Das System soll die regionalen Erzeugnisse in die Nähe der Kunden bringen, statt diese ab Hof zu verkaufen. Die sechs Container sind deshalb an stark frequentierten Orten wie Kreuzungen und bei Bahnhöfen platziert. Auch Produkte anderer Bauern, wie zum Beispiel Milch oder Fleisch, werden angeboten. Dadurch sollen Kunden ein breites Spektrum an regionalen Lebensmitteln erwerben können, ohne zu vielen verschiedenen Höfen fahren zu müssen. Aber auch für die Landwirte selbst fällt so Arbeit weg: Sie befüllen die Container alle ein bis zwei Tage und ersparen sich so den täglichen Direktverkauf ab Hof.

Abkehr vom Großhandel

Die zwei Landwirte, die derzeit auch Supermarktketten beliefern, wollen sich so nach und nach Richtung Direktvertrieb bewegen: "Mit 50 Hektar hat man vielleicht ein nettes Zubrot, aber Bauern können davon nicht wirklich leben, wenn sie alles beim Händler abkippen", sagte Robert Holzer. Durch den direkten Verkauf an den Endkunden wäre die Wertschöpfung um einiges höher. "Die Nahversorgung im ländlichen Raum ist nicht mehr so gesichert wie früher", erklärt der Landwirt, mit den Containern will man dieser Entwicklung entgegenwirken. Holzer sieht das Konzept als investitionssicher: "Wenn ein Standort nicht funktioniert, können wir den Container einfach woanders hinstellen."

Das Konzept soll in den nächsten Jahren noch ausgebaut werden, ein weiteres Verkaufssystem für Wien ist in Planung. Die Selbstbedienungscontainer wären trotz der steigenden Nachfrage an regionalen Produkten für den urbanen Raum nur mäßig geeignet: Die Verkaufsstätten werden zwar videoüberwacht, in Städten fällt durch die größere Anonymität jedoch die Vertrauensebene weg, erklärt Holzer. (Nora Laufer, 27.12.2016)