Warschau – EU-Ratspräsident Donald Tusk hat Polens nationalkonservative Regierung aufgefordert, sich an die Verfassung zu halten. Der Respekt gegenüber der Bevölkerung sowie verfassungsrechtlichen Regeln und Werten müsse gewahrt werden, appellierte er am Samstag bei einem Besuch in Breslau (Wroclaw) an Regierende der Partei Recht und Gerechtigkeit PiS.

Diese wollen ab 2017 den Zugang für Journalisten zum Sejm begrenzen. Gegen die neuen Regeln der Berichterstattung hatten in der Nacht zum Samstag tausende Polen protestiert.

Stundenlang hielten sie das Parlament in Warschau blockiert, so dass Politiker, darunter PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, das Gebäude nicht verlassen konnten. Auch am Samstag gingen Hunderte Regierungskritiker auf die Straße. Proteste gab es aber auch im Parlament: Dort hält eine Gruppe Oppositionsabgeordneter seit Freitag das Rednerpult besetzt. Der Widerstand könnte die Regierenden zum Einlenken zwingen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur PAP soll PiS-Chef Kaczynski sich bereit gezeigt haben, mit Medienvertretern über die Bedingungen ihrer Arbeit im Parlament zu beraten.

"Schande"

Mit weiß-roten Nationalflaggen und EU-Fahnen zogen am Samstag die Regierungskritiker vom Präsidentenpalast in Richtung Parlament.

Dabei riefen sie "Schande", "Stoppt die Zerstörung Polens" und forderten "Freiheit, Gleichheit, Demokratie". Das Parlamentsgebäude war durch ein massives Polizeiaufgebot abgeriegelt.

"Ich möchte nicht erleben, dass Polen auf den Kopf gestellt wird", sagte die Demonstrantin Malgorzata Kramarz der Nachrichtenagentur AFP im Hinblick auf die Reformen der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS). In anderen polnischen Städten fanden kleinere Demonstrationen statt.

Neuregelung der Berichterstattung

Am Freitagabend hatten tausende Menschen zunächst vor dem Parlamentsgebäude in Warschau gegen eine geplante Neuregelung der Berichterstattung aus dem Parlament protestiert. Hunderte Demonstranten hatten die Volksvertretung anschließend in der Nacht auf Samstag stundenlang blockiert und führende Politiker der Regierungspartei am Verlassen des Gebäudes gehindert.

Laut der geplanten Neuregelung sollen Journalisten künftig keine Fotos oder Videos mehr im Plenarsaal machen dürfen. Damit wäre es nicht länger möglich, Regelverstöße von Abgeordneten zu dokumentieren, etwa wenn ein Parlamentarier für einen abwesenden Kollegen abstimmt.

Die nationalkonservative Regierung in Polen hat seit ihrem Amtsantritt vor rund einem Jahr eine Reihe von Reformen umgesetzt, die nicht nur von der Opposition des Landes, sondern auch von der EU als mögliche Einschränkung der Rechtsstaatlichkeit kritisiert werden. (APA, 17.12.2016)