Edwarda Gurrola, Kaveh Parmas und Stefanie Sourial in "Fantomas Monster".

Foto: Christine Miess

Wien – Die Eltern der Künstlerin Parastou Forouhar wurden am 21. November 1998 in Teheran erstochen. Ein Auftragsdoppelmord des iranischen Geheimdienstes. Dariusch und Parwaneh Forouhar hatten sich seit den 1960er-Jahren sowohl unter Schah Reza Pahlewi als auch unter Ajatollah Chomeini für Demokratie und die Trennung zwischen Religion und Staat eingesetzt.

In Zusammenarbeit mit Forouhar (54) hat nun der Wiener Performancemacher und Aktivist Gin Müller (45) ein Stück über dieses Verbrechen geschaffen: Fantomas Monster, Teil 1/Iran: Fantomas gegen die Macht der Auslöschung. Die Uraufführung fand im Brut-Theater statt und wird kommenden Jänner wiederaufgenommen.

Live-Comic

Passt Fantomas mit iranischen Gewaltregimes zusammen? Man schlage nach bei Julio Cortázars Erzählung Fantomas und die multinationalen Vampire von 1975, die wiederum von den mexikanischen Fantomas-Comics der Sixties beeinflusst ist. Da hat sich der Meisterdieb, wie man ihn aus den Geschichten von Pierre Souvestre und Marcel Allain (publiziert ab 1911) kennt, in eine Art Robin Hood verwandelt.

Müller bringt die Geschichte der Begegnung Cortázars mit dem Comic und damit der Läuterung des französischen Verbrechers Fantômas zum aktivistischen Einzelkämpfer Fantomas aus Mexiko in das Stück ein. Und nicht nur das: Fantomas Monster ist als Live-Comic angelegt. Was bedeutet, dass Schnappschüsse aus den Szenen in Anordnungen leerer Bildrahmen, die an vergrößerte Comicheftseiten erinnern, auf die Bühne projiziert werden. Für das Gelingen der visuellen Spezialität ist Jan Machacek verantwortlich.

Faktische und fiktive Helden

Die Figuren werden von der aus Mexiko stammenden Schauspielerin Edwarda Gurrola, dem im Iran geborenen Schauspieler Kaveh Parmas und der Wiener Performerin Stefanie Sourial verkörpert. In der Geschichte konterkariert das faktische Heldinnentum der Protagonistin Parastou Forouhar die Fiktion des "Superhelden" Fantomas. Forouhar wagt immer wieder die Reise in den Iran, um der Ermordung ihrer Eltern – der Vater war Arbeitsminister, die Mutter Journalistin – öffentlich zu gedenken. 2014 wurde ihr das vom Regime untersagt.

Die Verschränkung der komischen Ebene mit dem in ein billiges Kostüm gekleideten und immer durch geschlossene Fenster stürmenden Fantomas und der Erzählung über die brutale Wirklichkeit kann als Satire auf die Wahrnehmung gelesen werden. Da die sensiblen Kulturmenschen des Westens auf dokumentarisches Material zunehmend mit emotionalen Lähmungserscheinungen reagieren, muss ihnen ein fiktionaler Held durch mediale "Fenster" entgegenspringen, um sie von ihrer Starre zu befreien. (Helmut Ploebst, 18.12.2016)