
Ein oppositioneller Stadtrat wettert in Rom lautstark gegen Bürgermeisterin Raggi und ihren verhafteten Mitarbeiten Marra (Poster).
Auf dem Kapitolshügel, dem Sitz der römischen Stadtregierung, finden derzeit Dreharbeiten für den Film Die Nacht von Rom statt. Die düstere Doku-Fiction basiert auf dem gleichnamigen Buch des Journalisten Carlo Bonini und des Richters Giancarlo de Cataldo und handelt von der "Mafia Capitale", der Hauptstadt-Mafia. Diese hatte zuletzt sowohl unter linken als auch rechten Bürgermeistern weite Teile der städtischen Behörden unterwandert. Dieser Skandal war der Hauptgrund gewesen für den glanzvollen Sieg von Virginia Raggi im vergangenen Sommer.
Raggi und ihr Movimento 5 Stelle (Fünf-Sterne-Bewegung) von Beppe Grillo hatten einen Neuanfang für die heruntergekommene Hauptstadt versprochen – und vor allem eines: "Onestà", Ehrlichkeit. Und dann das: Am Freitag wurde Raffaele Marra, engster Mitarbeiter Raggis, wegen Korruptionsverdacht verhaftet. Laut Ermittlern ließ er sich von einem Römer Baulöwen, der ebenfalls hinter Gitter gewandert ist, kaufen lassen. Marra hatte bereits unter dem rechten Bürgermeister Gianni Alemanno eine Schlüsselposition innegehabt – dessen Regierung galt als die korrupteste der letzten Jahrzehnte in Rom.
Virus der Korruption
Durch Marra wurde der Virus gleichsam auch in Raggis Stadtregierung getragen. Grillo hatte die Bürgermeisterin schon vor Monaten gedrängt, auf die Dienste des "kapitolinischen Rasputin" zu verzichten, doch die 38-jährige Anwältin, die bei Personalien von Anfang an ein unglückliches Händchen gehabt hatte, weigerte sich. Ein ähnlicher Fall liegt erst wenige Tage zurück: Die für die Müllentsorgung zuständige Stadträtin Paola Muraro musste zurücktreten – gegen sie wird ebenfalls ermittelt. Auch an ihr hatte Raggi verbissen festgehalten.
Und so treiben sich im Römer Rathaus nicht nur die Filmdarsteller herum, sondern vor allem die Staatsanwälte und Carabinieri. Zu allem Überfluss wurde ruchbar, dass Raggi still und leise auch noch Marras Bruder befördert hat und dass dieser plötzlich dreimal mehr verdient als vorher. Raggi läuft Gefahr, bald persönlich ins Visier der Justiz zu geraten.
Katastrophe für Grillo
Für Grillo sind die Vorgänge in der Ewigen Stadt eine Katastrophe; denn in Rom wollten die "Grillini" beweisen, dass sie nicht nur protestieren, sondern auch regieren können – um dann bei den nächsten Parlamentswahlen die Macht zu übernehmen. Doch Raggi hat nicht nur ein Personaldesaster zu verantworten, sondern bisher auch eklatante Überforderung und Untätigkeit in allen wichtigen Bereichen an den Tag gelegt.
Bisher haben in der von Grillo straff, oft autoritär geführten Protestbewegung schon weitaus geringere Gründe für einen sofortigen Rauswurf gereicht als jene, die sich Raggi geleistet hat. Aber angesichts der Blamage, die ein Sturz der Fünf-Sterne-Regierung nach nur sechs Monaten bedeuten würde, hat der Ex-Komiker noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen: Grillo hat die Bürgermeisterin zwar ordentlich zusammengestaucht und gefordert, dass sie künftig auf die übrigen Mitglieder ihres "raggio magico", ihres Zirkels umstrittener Vertrauter, verzichtet. Der Ausschluss aus der Bewegung ist – vorerst – aufgeschoben, der Imageschaden für die "Grillini" dennoch immens.
Nur ein kleiner Trost für Grillo ist ein gleichzeitiger Korruptionsskandal in Mailand, wo der sozialdemokratische Bürgermeister Giuseppe Sala am Freitag erklärte, er werde sein Amt "ruhen" lassen. Sala war Sonderkommissar für die Expo 2015 gewesen; nun ermitteln die Staatsanwälte gegen den einstigen "Retter" der Weltausstellung. Normalerweise wären solche Ermittlungen ein gefundenes Fressen für Grillo – diesmal bleibt er aber stumm wie ein Fisch. (Dominik Straub aus Rom, 18.12.2016)