In einem Juwel der jordanischen Fremdenverkehrsindustrie, der aus dem 12. Jahrhundert stammenden Zitadelle von Karnak, waren am Sonntag dutzende Touristen in der Falle. Eine Gruppe von Bewaffneten hatten das Feuer eröffnet. Am Ende des fünfstündigen Gefechtes 120 Kilometer südlich der Hauptstadt Amman waren zehn Menschen tot.

Darunter war auch eine kanadische Touristin. Außerdem kamen zwei jordanische Zivilisten, vier Polizisten und drei Gendarmen ums Leben. Weitere 34 Menschen wurden verletzt, einige von ihnen schwer. Die Sicherheitskräfte haben vier Terroristen getötet sowie Sprengstoff und Waffen sichergestellt.

Aktiv in der Anti-IS-Koalition

Premierminister Hani Mulki sprach von "Verbrechern", ohne genaue Hintergründe zu nennen. Die Handschrift des Anschlags, der über verschiedene Stationen ging, weist auf islamistische Terroristen hin; bis Montagabend hatte sich niemand bekannt.

Das Königreich Jordanien wurde in den vergangenen Monaten schon von mehreren Attentaten erschüttert. Im Juni hatte die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) einen Selbstmordanschlag an der Grenze zu Syrien verübt, bei dem sieben Grenzwächter ums Leben kamen. Jordanien ist Mitglied der internationalen Koalition, die seit 2014 den IS im Irak und Syrien bombardiert. Das Land ist mit eigenen Flugzeugen engagiert und erlaubt anderen Koalitionsmitgliedern sein Territorium zu benützen. Aus dem relativ kleinen Königreich stammen auch mehrere der prominentesten Jihadisten.

Neue Dimension

Dank eines weitverzweigten Geheimdienstnetzes und einer starken Präsenz von Polizei und Armee konnte bisher dennoch die Stabilität und der interne Zusammenhalt weitgehend garantiert werden. Mit dem Anschlag auf Karnak wird allerdings eine neue Dimension erreicht.

Zum ersten Mal haben Terroristen ganz gezielt Zivilisten und Touristen ins Visier genommen statt wie bisher Angehörige der Sicherheitsdienste und des Staatsapparats. Der Tourismus ist neben den Überweisungen der jordanischen Gastarbeiter der wichtigste Wirtschaftszweig. 14 Prozent hat diese Branche in guten Zeiten zum Bruttoinlandprodukts beigesteuert. Die Behörden unternehmen große Anstrengungen, um den Fremdenverkehr in dieser Region wieder in Schwung zu bringen. Ein Anschlag unmittelbar vor den Festtagen bedeutet einen schweren Rückschritt.

Neuer Aufmerksamkeitsgrad

Fast gleichzeitig mit Jordanien ist diese Entwicklung auch in Ägypten festzustellen. IS-Zellen haben auf dem Sinai und im Nildelta in den letzten Jahren hunderte Mitglieder der Sicherheitskräfte ermordet. Vor zehn Tagen haben die Jihadisten des IS mit dem blutigen Anschlag mit 26 Toten auf die koptische Kathedrale in Kairo ebenfalls erstmals direkt Zivilisten angegriffen.

Dahinter steht die Absicht, Spannungen zwischen Christen und Muslimen zu schüren und ebenfalls dem Tourismus zu schaden, der sich von der Krise nicht erholen kann. Mit Toten unter den Zivilisten wird zudem ein ganz neuer Grad an weltweiter Aufmerksamkeit erweckt, nachdem die Anschläge auf Sicherheitspersonal schon zu einer traurigen Routine geworden sind, die oft nur noch eine Randnotiz wert sind. (Astrid Frefel aus Kairo, 19.12.2016)