Rechtspopulistische Parteien, wie die FPÖ, profitieren von den Ängsten der Wähler.

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Eine gängige These, die den Erfolg des Populismus quer über unseren Globus zu ergründen sucht, lautet, dass sich Menschen aus Wut und Protest über ihre Lebensumstände vermehrt populistischen Parteien zuwenden. Dabei werden oft ökonomische Motive für die Unzufriedenheit eines großen Teils der Wählerschaft unterstellt. Einkommensverluste, Globalisierung, oder die vermehrte Konkurrenz am Arbeitsmarkt, gepaart mit einem großen Brocken an (finanzieller) Unsicherheit, tragen demnach Verantwortung am Aufstreben populistischer Politiker und Parteien insbesondere in Europa und den Vereinigten Staaten.

Empirisch nicht fundiert

Das Problem mit dieser These ist jedoch, dass sie empirisch nicht gut fundiert ist. In einer Forschungsarbeit aus dem Jahr 20081, die unter anderem die Wahlmotive von Wählern der FPÖ unter die Lupe nahm, sticht als dominantes Wahlmotiv in erster Linie die Angst vor der kulturellen Entfremdung durch Immigration hervor. Erst an zweiter Stelle steht die Angst der Wähler vor Einkommensverlusten durch Immigration und die dadurch verursachte vermehrte Konkurrenz am heimischen Arbeitsmarkt. Alleine mit ökonomischen Motiven lässt sich der Wahlerfolg von populistischen Parteien – zumindest in Österreich – also nicht erklären.

Interessantere Ergebnisse mit einer besseren Datengrundlage liefert eine Forschungsarbeit2 aus dem Jahr 2016. Darin beschäftigen sich die Autoren mit psychologischen Mustern von Wählern der FPÖ. Dabei werden in erster Linie die Muster des rechten Autoritarismus und der sozialen Dominanzorientierung, gepaart mit einer gefühlten Bedrohung der kulturellen Identität, beleuchtet. Sowohl die soziale Dominanzorientierung, als auch der rechte Autoritarismus, gekoppelt mit der gefühlten kulturellen Bedrohung, sind starke und statistisch hoch signifikante Wahlmotive für die FPÖ. Die Studie kommt zum Ergebnis, dass die Auslösung eines Gefühls der kulturellen Bedrohung und negative Emotionen gegenüber Immigranten höchsteffektive Mobilisierungsinstrumente für Wähler der FPÖ darstellen. Gemeinsam erklären diese psychologischen Muster der Wähler mehr als 36 Prozent der Wahlentscheidung für die FPÖ – so starke Motive findet man in den Sozialwissenschaften sonst nur selten.

Merkmale des rechten Autoritarismus

Die Begriffe des rechten Autoritarismus und der sozialen Dominanzorientierung wurden vom kanadischen Psychologen Bob Altemeyer geprägt, der sein Leben der Erforschung des Autoritarismus gewidmet hat. Seine Forschungsergebnisse, die er 2006 in seinem Buch "The Authoritarians" zusammengefasst hat, sind bahnbrechend und alarmierend.

Anhänger des Autoritarismus sind gemäß Altemeyer durch einen hohen Grad der Unterwerfung gegenüber den etablierten Autoritäten in einer Gesellschaft, einen hohen Grad der Aggression im Namen dieser Autoritäten und ein hohes Maß an Konventionalismus (Schablonenhaftigkeit) im Denken gekennzeichnet. Vor allem aber sticht bei ihnen die Geringschätzung demokratischer Institutionen und ein hohes Maß an vorurteilsbehaftetem Denken hervor.

Ursachen des Autoritarismus

Was sind die Ursachen für autoritäre Einstellungen? In erster Linie ist es die Angst, die autoritäre Anhänger kennzeichnet. Angst vor einer gefährlichen Welt, vor Anarchie, dem Weltuntergang, nur um ein paar Beispiele zu nennen. Besonders intensiv wird diese Angst von autoritär denkenden Menschen nach Terroranschlägen wahrgenommen. Krisensituationen tragen also zu einer zunehmenden Autoritarisierung unserer Gesellschaften bei.

Mehr als alle anderen befürworten autoritär denkende Menschen die Zensur von Informationen, die Unterdrückung anderer Sichtweisen sowie die Abschaffung von Eckpfeilern moderner Demokratien wie die Menschen- und Freiheitsrechte. Was rechtfertigt in psychologischer Hinsicht diesen aggressiven Impuls, andere Menschen zu unterdrücken, oder gar zu verletzen bzw. zu töten? Altemeyer verweist in erster Linie auf die Selbstgerechtigkeit. In seinen Forschungsergebnissen sticht immer wieder ein hohes Maß an selbstgerechtem Denken von autoritär denkenden Personen hervor. Autoritäre Menschen halten sich für moralisch weit überlegen, für auserwählt, gerecht, ja beinahe für heilig. Und diese Selbstgerechtigkeit ist der Auslöser schlechthin für autoritäre Aggressionen.

Mangelnde Selbstreflexion

Ein großes Problem im Umgang mit autoritären Anhängern stellt nun die "Argumentations- und Faktenresistenz" dieser Personengruppe dar. Mehr als alle anderen tendieren autoritär denkende Personen dazu, Bestätigung ihrer Sicht- und Denkweise von gleichgesinnten Gruppenmitgliedern einzuholen. Die Logik dahinter lautet: "Ich weiß, dass ich Recht habe, weil meine Bekannten, die meine Sichtweise teilen, mir Recht geben." Argumente andersdenkender Menschen oder ihrer Sichtweise widersprechende Fakten prallen an ihnen jedoch ab wie an einer Betonmauer. Gefällt autoritär gesinnten Menschen eine bestimmte Sichtweise, dann ist die Logik dahinter oder der Weg, der zu dieser Einsicht geführt hat, vollkommen irrelevant. Darüber hinaus haben solche Menschen auch große Schwierigkeiten mit der Bewertung empirischer Evidenz, also ob bestimmte Tatsachen als Beweis für etwas taugen oder weniger.

Leichtes Spiel für Demagogen

Was geschieht nun, wenn Demagogen die Schuld an all unseren gesellschaftlichen Problemen bestimmten Bevölkerungsgruppen, wie zum Beispiel Ausländern oder Migranten, in die Schuhe schieben? Solche Behauptungen werden von autoritär gesinnten Menschen vollkommen unreflektiert in das eigene Weltbild übernommen. Migranten werden für diese Menschen damit automatisch zum Sündenbock unserer Gesellschaften, ganz egal, wie viel Verantwortung sie tatsächlich an unseren gesellschaftlichen Problemen tragen mögen oder nicht.

Überhaupt genießen Demagogen bei autoritär gesinnten Menschen einen immensen Startvorteil. Ganz egal, wie glaubwürdig oder durchsichtig solche Politiker sein mögen – sobald sie die Einstellungen autoritär gesinnter Menschen vertreten, werden sie von ihnen mit offenen Armen empfangen. Für Populisten ist es deshalb ein leichtes Spiel, Wählerstimmen autoritärer Menschen einzufangen. Sobald sie sich als Gleichgesinnte zu erkennen geben, und die Vorurteile und Sichtweisen ihrer Zielgruppe vertreten, ist es praktisch unmöglich, ihnen diese Wählerstimmen wieder strittig zu machen. Denn ihre Anhänger wollen einfach daran glauben, dass ihre Führer im Recht sind – komme was wolle.

Facebook als Katalysator und Verstärker

Wer die Erkenntnisse der Forschungsarbeiten von Bob Altemeyer liest, wundert sich vermutlich etwas weniger, was in den letzten Wochen und Jahren insbesondere in sozialen Medien wie Facebook & Co. vorgefallen ist. Der Eindruck, der hier entsteht ist, dass Populisten diese Medien geschickt dazu nutzen, autoritäre Anhänger für sich zu gewinnen und zu mobilisieren. Mittels zielgerichteter Postings, deren Wahrheitsgehalt in den sozialen Medien bekanntlich keine große Rolle spielt, können sowohl Ängste als auch Vorurteile von autoritär gesinnten Menschen direkt angesprochen und stimuliert werden. Der Facebook Algorithmus (die sogenannte "Blase") spielt dabei eine unterstützende Rolle, indem Postings andersdenkender Menschen aus der eigenen Timeline bewusst herausgefiltert werden.

Autoritär gesinnte Nutzer sozialer Medien fühlen sich dadurch nicht nur in ihrer Sichtweise bestärkt, sondern werden auch in dem Eindruck befeuert, dass ihre Denk- und Sichtweise von der ganzen Welt unkritisch geteilt werde. Nicht umsonst wurden gerade in den letzten Wochen vor der Bundespräsidentenwahl in Österreich massive Attacken gegen die aus populistischen Kreisen unterstellte "Falschinformation" durch traditionelle Medien wie Radio, Fernsehen und Zeitungen geritten. Das unzweideutige Ziel dieser Attacken ist die Herstellung einer informationshegemonischen "Blase" für die eigenen Wähler, in der Widerspruch oder Zweifel soweit als möglich ausgeschaltet werden. Das wiederum befeuert massiv die Selbstgerechtigkeit autoritär gesinnter Menschen. Und damit deren Aggressionslevel.

Wir wissen heute, dass zwischen 20 und 25 Prozent der nordamerikanischen Wähler autoritäre Gesinnungen teilen.3 In Österreich ist der Prozentsatz jener Menschen, die sich nach einem starken Mann in der Politik sehnen, auf fast 40 Prozent angewachsen. Das sind viermal so viele als noch vor zehn Jahren. Es ist höchst an der Zeit, sich um die demokratischen Errungenschaften unserer Gesellschaft ernsthaft Sorgen zu machen. (Michael Radhuber, 21.12.2016)