Der Mordanschlag auf den russischen Botschafter in Ankara sagt mehr über den Zustand der Türkei aus als über deren Verhältnis zu Russland. Dieses ist rein pragmatisch, eine politische Geschäftsbeziehung zwischen zwei autoritär regierenden Präsidenten, die ihre Interessen halbwegs zur Deckung bringen: Für den Kreml ist die Türkei ein nützlicher Spaltpilz in der Nato und ein Großabnehmer für Öl und Gas; der Präsidentenpalast in Ankara wiederum weiß, wo man um Erlaubnis für ein Militärabenteuer in Syrien nachfragen muss und dass die türkische Wirtschaft auch vom russischen Geld abhängt.

Die Ermordung von Andrej Karlow in Ankara aber wirft ein grelles Licht auf das von Terror, Hexenjagd und ausgelebten Machtträumen heimgesuchte Land. Für die Schludrigkeit bei der Bewachung des Botschafters wird wieder einmal niemand verantwortlich sein. Der Dienstausweis eines Polizisten öffnet im Sicherheitsstaat Türkei offenbar fast jede Tür.

Bei den Ermittlungen im Mordfall Karlow wird die russische Seite entscheiden, ob sie die Komplotttheorie der Türken, die sich bereits abzeichnet, für glaubwürdig hält: dass der Attentäter ein Gülenist war und vielleicht gar im Auftrag der Bewegung des Predigers gehandelt hatte. Auch Fethullah Gülen hatte eine Geschäftsbeziehung mit der seit 14 Jahren regierenden konservativ-islamischen Partei in der Türkei. Pragmatisch war sie und höchst politisch. (Markus Bernath, 20.12.2016)