Kanzlerin Angela Merkel (Mitte) sieht sich nach dem Anschlag immer stärker werdendem politischem Gegenwind ausgesetzt.

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CSU-Chef Seehofer preschte mit der Forderung nach einem Umdenken in der Einwanderungspolitik vor.

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24 Stunden nach den Morden am Berliner Weihnachtsmarkt ging dem stellvertretenden Vorsitzenden der deutschen CDU die Hutschnur hoch – vor laufender Kamera, live zur besten Sendezeit. Schlussfolgerungen zu ziehen, bevor die Polizei die Fakten ermittelt habe, "ist eine normale Herangehensweise an Politik nicht", sagte Armin Laschet am Dienstagabend in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner spezial".

Adressat der Wut des Rheinländers: Horst Seehofer, seines Zeichens Chef der CSU und – jedenfalls in der Flüchtlingsfrage – mächtigster Gegenspielerin von Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel. Deutschland müsse nach dem tödlichen Anschlag in Berlin seine "gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik überdenken und neu justieren", hatte der Bayer am Vormittag gepoltert, als für einige Stunden ein pakistanischer Asylwerber fälschlich im Verdacht stand, den Lkw in die feiernde Menschenmasse vor der Gedächtniskirche gelenkt zu haben. Am Nachmittag musste die Berliner Polizei vermelden: "Wir haben den falschen Mann."

Alte Gräben

Während sich der wahre Täter möglicherweise noch unerkannt durch Berlin bewegt, liegen die Nerven in Deutschlands regierenden Schwesternparteien, die in der Flüchtlingsfrage ohnehin schon seit Jahr und Tag nur wenig geeint auftreten, blank. Gräben zwischen Merkels CDU und der bayerischen CSU, die sich schon vor dem Anschlag aufgetan haben, treten nun offener denn je zutage. Merkels Flüchtlingspolitik, ihre Parole vom "Wir schaffen das", steht immer stärker in der Kritik nicht nur von der rechten Alternative für Deutschland (AfD), sondern auch von der CSU.

Nachdem die Kanzlerin sichtlich erschüttert zu Mittag vor die Kameras getreten war und von einem "widerwärtigen Anschlag" gesprochen hatte, der umso schändlicher sei, sollte der Täter in Deutschland Schutz gesucht und gefunden haben, legte Andreas Scheuer, Generalsekretär der CSU, Mittwochfrüh nach. "Wir brauchen jetzt, und das erwartet das Staatsvolk, eine starke Staatsgewalt", sprach er und betonte, man solle künftig "Sicherheit und Zuwanderung in Verbindung bringen". Sicherheit sei eines der wichtigsten Themen der CSU, sagte Scheuer. Daran jetzt zu arbeiten, "hat doch nichts mit Pietätlosigkeit zu tun", verteidigte er das Vorpreschen seines Chefs.

Innenminister Thomas de Maizière, ein CDU-Politiker, wollte sich hingegen zur Stunde nicht an politischen Debatten beteiligen. "Es hat keine einzige Beerdigung stattgefunden. Wir kommen aus einem Gottesdienst, der im Fernsehen übertragen wurde, und da war das Thema Trauer und Gemeinsamkeit." Einzig Thomas Strobl, CDU-Innenminister von Baden-Württemberg und so wie Laschet Merkels Vize als Parteichef, suchte am Mittwoch den schwelenden Streit der Unionsparteien zu schlichten. Die sicherheitspolitischen Vorstellungen der CDU seien bei der CSU auf große Zustimmung gestoßen, sagte er dem Sender SWR. Und: "Wir haben auch sehr viele Gemeinsamkeiten." (flon, 21.12.2016)