Die Beziehungen zwischen der Türkei und Russland könnten sich nach dem Attentat verbessern.

Foto: APA/AFP/OZAN KOSE

An einem der ereignisreichsten Tage eines bewegten Jahres wurde der russische Botschafter Andrey Karlow in Ankara ermordet. Durch die bemerkenswerten Aufnahmen des Fotografen Buran Ozbilici erreichten die Bilder innerhalb von kürzester Zeit die ganze Welt.

Bei dem Täter handelt es sich um den 22 Jahre jungen Polizisten Mevlüt Mert Altıntaş. Sein Hintergrund – ein großes Fragezeichen. Kurz nach dem Attentat brüllte er arabische und türkische Slogans, etwa "Vergesst Aleppo nicht". Laut Berichten der Tageszeitung Hürriyet war er achtmal Teil der Leibwache des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.

Die Hintergründe der Tat

Für viele, vor allem regierungsnahe, Journalisten war sofort klar: Die Gülenisten stecken hinter der Tat. Die durch den gescheiterten Putschversuch aufgebrachten Gülenisten wollten damit die russisch-türkischen Beziehungen schwächen. Für viele andere ist es diese Antwort allerdings wenig zufriedenstellend. Auch wenn vieles darauf hindeutet, dass die Gülenisten die treibende Kraft hinter dem Putschversuch waren, gibt es kein Beispiel für einen von ihnen verübten radikal jihadistischen Terrorakt.

Anders als die ihm loyalen Journalisten drückte sich Erdoğan zurückhaltender aus. Dies ist vor allem deswegen von Relevanz, weil er in der Nacht des Putschversuchs am 15. Juli gleich die Gülenisten erwähnte. Ein möglicher Erklärungsversuch wäre die Bedeutung der russisch-türkischen Beziehungen beziehungsweise dessen Fragilität.

Die Zukunft der russisch-türkischen Beziehungen

Erst vor ein paar Monaten hatte sich Erdoğan für den Abschuss eines russischen Kampfjets entschuldigt und somit die Beziehungen wieder normalisiert. Hätte so eine Versöhnung nicht stattgefunden, dieses Ereignis hätte womöglich ganz andere Dimensionen gehabt. Auch am Abend des Attentats telefonierten Erdoğan und Putin. Dementsprechend ähnlich waren auch ihre Aussagen. Putin sieht in dem Attentat ebenfalls einen Angriffsversuch zur Schädigung der Beziehungen zwischen den Ländern sowie der Friedensgespräche in Syrien. Diese fanden trotz des Attentats einen Tag später zwischen Russland, der Türkei und dem Iran statt.

Die Folgen des Attentats

Solange beide Länder die gleiche Sichtweise haben, ist es unwahrscheinlich, dass aus diesem Attentat ein "Franz Ferdinand"-Ereignis wird. Womöglich könnte es die Beziehungen zwischen beiden Ländern noch mehr verbessern, indem es die Positionen der Türkei im Syrienkonflikt näher an die Russische annähern wird. Die Aussagen des türkischen Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu bekräftigen diese Vermutung. Er meinte, dass die Priorität der Türkei in Syrien die Bekämpfung von Terroristen sei und nicht Assad. Dies ist zwar konträr zu den kürzlich von Erdoğan getätigten Aussagen, aber die Türkei wird wohl nach den Ereignissen in Aleppo und dem Attentat wenig Handlungsspielraum haben.

Eine logischer nächster Schritt wäre es für die Türkei, ihre militärische Unterstützung bewaffneter Gruppierungen in Syrien aufzugeben. Die Gruppierungen – vom ehemaligen türkischen Premierminister einst als "aufgebrachte Jungs" bezeichnet – würden dann offiziell zu Terroristen werden. Diese Kehrtwende könnte einige Mitglieder islamistischer Gruppierungen verärgern. Die Lage in Ankara bleibt angespannt. (Tuna Bozalan, 22.12.2016)