Budapest – Der Nachlass des Schriftstellers und Literatur-Nobelpreisträgers Imre Kertesz (1929-2016) geht an eine regierungsnahe ungarische Stelle. Die Stiftung für die Erforschung der Geschichte und Gesellschaft Mittel- und Osteuropas (KTTKK) werde ein Imre-Kertesz-Institut gründen, hieß es in der Mitteilung der Einrichtung, die die staatliche Nachrichtenagentur MTI am Mittwoch veröffentlichte.

Das neue Institut werde ab dem kommenden Jahr das Andenken an Kertesz pflegen. Insbesondere werde es die im Kertesz-Archiv der Berliner Akademie der Künste aufbewahrten Handschriften aufarbeiten und für die Publikation vorbereiten. In der Budapester Wohnung, in der Kertesz von 1954 bis 1995 lebte, soll ein Museum eingerichtet werden. Er schuf dort sein Jahrhundert-Werk "Roman eines Schicksallosen".

Die Übernahme des Nachlasses erfolge auf der Grundlage einer Vereinbarung mit der Witwe des Schriftstellers, Magda Kertesz, die selbst etwa ein halbes Jahr nach ihrem Mann gestorben war, hielt die Mitteilung weiter fest. Die Stiftung KTTKK wird von der umstrittenen Historikerin Maria Schmidt kontrolliert, die Ministerpräsident Viktor Orban nahesteht. Schmidt meldet sich immer wieder öffentlich mit Thesen zu Wort, die die Verantwortung Ungarns für die Ermordung Hunderttausender ungarischer Juden in der Zeit des Nationalsozialismus leugnen.

Kertesz, ein Überlebender des Holocaust, ist Ungarns einziger Literatur-Nobelpreisträger. Sein "Roman eines Schicksallosen" (auf Deutsch 1996 erschienen), der die Todesmaschinerie in den KZs Auschwitz und Buchenwald aus der Perspektive eines 14-Jährigen beschreibt, gilt als eines der wichtigsten literarischen Zeugnisse über die Shoah.

Kertesz, der von 2002 bis 2012 in Berlin lebte, hatte den wiederauflebenden Nationalismus in Ungarn lange Zeit scharf kritisiert und dabei auch die Rolle der von 1998 bis 2002 und seit 2010 amtierenden Orban-Regierungen angesprochen. Die Medien der ungarischen Rechten hatten ihn dafür häufig verunglimpft.

Nach seiner Rückkehr nach Ungarn schloss Kertesz allerdings seinen persönlichen Frieden mit der Regierung. Zur Bestürzung vieler Freunde und Leser nahm er 2014 den Stephansorden an. Dieser stammt aus der Zeit der rechts-autoritären Horthy-Herrschaft vor und während des Zweiten Weltkriegs. Die Orban-Regierung führte ihn als höchste staatliche Auszeichnung wieder ein. Seine Zuerkennung an Kertesz soll auf eine Idee von Orbans "Leib-Historikerin" Schmidt zurückgegangen sein. (APA, 22.12.2016)