Berlin – Prostatakrebspatienten leiden später und seltener unter Inkontinenz oder Potenzstörungen, wenn sie sich für eine Bestrahlung des Tumors statt für eine Operation entscheiden. Das ist das Ergebnis einer ersten großen Vergleichsstudie, deren Ergebnisse nun im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurden.

Für viele von der Krankheit betroffene Männer sei die Strahlentherapie eine vergleichbar effektive, aber schonendere Alternative zur Operation, interpretiert die Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) die Ergebnisse.

In Österreich leben rund 55.000 Männer mit der Diagnose Prostatakrebs. Für die Behandlung stehen verschiedene Therapieoptionen zur Verfügung. Abhängig vom Erkrankungsstadium kann eine Operation, eine Strahlentherapie und in manchen Fällen auch eine abwartende Haltung mit regelmäßiger Kontrolle angewendet werden. Besonders bei älteren Patienten kann das Verschieben der Behandlung auf einen späteren Zeitpunkt eine mögliche Alternative sein.

Vor-und Nachteile der Therapieoptionen

Für Patienten ist es oft nicht leicht, sich für eine Therapie zu entscheiden. Bei der Operation, der radikalen Prostatektomie, wird die gesamte Prostata samt Hülle entfernt. Bei der Strahlentherapie wird die Prostata von mehreren Seiten bestrahlt. Dadurch sollen die Krebszellen abgetötet werden.

Eine große wissenschaftliche Untersuchung, die britische "ProtecT"-Studie, die im September 2016 im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, hat beide Verfahren, Operation und Strahlentherapie, untersucht, und mit einer abwartenden Haltung verglichen. Insgesamt waren 1.643 Patienten inkludiert.

Die Auswahl für die einzelnen Alternativen wurde nach dem Zufallsprinzip vorgenommen. Nach zehn Jahren waren zwar bei allen drei Behandlungsformen gleich viele Patienten an der Erkrankung verstorben, trotzdem zeigten sich hinsichtlich einer drohenden Inkontinenz oder Potenzstörung Vorteile der Strahlentherapie gegenüber einer Operation. Mögliche positive Effekte von OP und Bestrahlung im Vergleich zur Option des Abwartens waren ein weniger lokales Fortschreiten der Erkrankung sowie eine geringeren Anzahl von Patienten mit Metastasen.

Inkontinenz und erektile Dysfunktion

"Die Strahlentherapie ist über die Jahre nicht nur effektiver geworden, sondern die Wahl der Behandlung hat auch wichtige Auswirkungen auf die Lebensqualität", betont Jürgen Debus, DEGRO-Präsident und Direktor der Klinik für Radio-Onkologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Eine Operation kann beispielsweise infolge einer Verletzung der Harnröhre oder der Nerven im Bereich der Prostata eine Inkontinenz zur Folge haben. Ein halbes Jahr nach der Operation mussten 46 Prozent der Patienten regelmäßig Einlagen tragen, nach der Radiotherapie war das bei vier Prozent der Patienten der Fall.

Ein weiterer Nachteil der Operation kann Impotenz sein. "Die Erektionsfähigkeit ist heute für viele Männer auch im hohen Alter wichtig", sagt Thomas Wiegel, Leiter der AG Prostata der DEGRO und Ärztlicher Direktor der Klinik für Strahlentherapie am Universitätsklinikum Ulm. Sechs Monate nach der Operation waren nur noch zwölf Prozent der Männer zum Geschlechtsverkehr in der Lage. Vor der Therapie waren es noch 67 Prozent. Auch die Bestrahlung kann die Potenz negativ beeinflussen: Der Anteil der Männer, die sechs Monaten nach der Bestrahlung noch über eine ausreichende Erektionsfähigkeit verfügten, war mit 22 Prozent jedoch fast doppelt so hoch wie nach der Operation. (red, 22.12.2016)