Eine Studie zeigte, dass ein Großteil der Erbgutveränderungen eine Folge des Übergewichts sind – und nicht die Ursache dafür.

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München – Zu viele Kilokalorien machen sich auf Dauer nicht nur an den Hüften bemerkbar, sondern schlagen sich auch im Erbgut nieder. Übergewicht führe zu sogenannten epigenetischen Veränderungen an fast 200 Stellen des Erbguts, ergab eine in dem Fachmagazin "Nature" veröffentlichte internationale Studie unter Beteiligung des Helmholtz Zentrums München.

Die Epigenetik betrifft nicht den tatsächlichen DNA-Code, sondern die langfristige Regulation verschiedener Gene. Während sich Gene im Laufe des Lebens kaum verändern, kann der Lebensstil direkten Einfluss auf deren Wirkweise ausüben. Bisher sei der epigenetische Einfluss von Übergewicht kaum untersucht. "Dabei ist die Frage bei schätzungsweise eineinhalb Milliarden übergewichtigen Menschen weltweit durchaus relevant", sagt Erstautorin Simone Wahl. Nicht zuletzt könne Übergewicht zu Diabetes, Herzkreislauf- und Stoffwechselerkrankungen führen.

Strategien gegen Typ-2-Diabetes

Die Wissenschafter untersuchten die Blutproben von mehr als 10.000 Frauen und Männern aus Europa. Überproportional häufig vertreten waren Bewohner Londons mit indischer Abstammung, die laut den Autoren ein hohes Risiko für Fettleibigkeit und Stoffwechselkrankheiten haben.

In einem ersten Schritt mit gut 5.000 Proben fand das Forscherteam 207 Genorte, die abhängig vom Body Mass Index epigenetisch verändert waren. Bei weiteren Tests bestätigten sich davon 187. Zusätzliche Untersuchungen ergaben, dass ein Großteil der Veränderungen eine Folge des Übergewichts war – und nicht dessen Ursache.

Signifikante Veränderungen habe es vor allem an Genen gegeben, die für den Fettstoffwechsel zuständig sind, betonen die Forscher. Aber auch Entzündungsgene waren betroffen. Weiter identifizierte das Team epigenetische Marker, anhand derer sich das Risiko für Typ-2-Diabetes vorhersagen ließ. Die Wissenschafter hoffen nun, dass sich daraus neue Strategien entwickeln lassen, wie Typ-2-Diabetes und andere Folgen des Übergewichts vorhergesagt oder verhindert werden können.

Forschung an Mäusen

Mehrere Forscher unter anderem vom Institut für Experimentelle Genetik (IEG) am Helmholtz Zentrum hatten bereits früher anhand von Versuchen mit Mäusen gezeigt, dass durch Fehlernährung verursachte Fettleibigkeit und Diabetes vererbt werden können – eben über die Epigenetik. Die Münchner Wissenschafter hatten dazu Nachkommen über künstliche Befruchtung erzeugt und von Leihmüttern ausgetragen lassen, um andere Einflüsse auszuschließen. Sie zeigten, dass männliche und weibliche Nachkommen unterschiedlich betroffen sind: Weibchen wurden eher dicker, Männchen hatten größere Blutzuckerprobleme.

Zuvor hatten bereits US-Forscher eine Studie mit Mäusemännchen veröffentlicht, nach der fettreiche Ernährung den Stoffwechsel der Nachkommen negativ beeinflussen kann. Andere Forscher wiesen bereits eine ähnliche Wirkung auch bei Menschen nach. Bei der Epigenetik wird die Aktivität von Genen durch Anheften von Methylgruppen an den Erbgutstrang gesteuert. (APA, dpa, 22.12.2016)