Das Museo Vostell in Malpartida in der Extremadura zeigt einen Gutteil der Werke des deutschen Fluxuskünstlers Wolf Vostell. In Spanien thematisierte er vor allem den Überfluss in einer Konsumgesellschaft.

Foto: Brigitte Kramer

Diese Installation heißt "Auto-Fieber", Vostell hat sie 1973 gefertigt.

Foto: Brigitte Kramer

Los Barruecos. Eine menschenleere Landschaft an der Grenze zwischen Spanien und Portugal. Riesige, runde Findlinge liegen herum. Der Wind pfeift fast das ganze Jahr über. Im flachen Gelände haben sich Senken gebildet, die im Winter zu Teichen werden und im Sommer austrocknen. Dazwischen steht ein einbetonierter Opel Kapitän aus dem Jahr 1976. Seine Kühlerhaube ist in einen Zementblock gerammt – ein Kunstwerk. Es nennt sich Voaex (Viaje de Hormigón por la Alta Extremadura, Betonreise durch die nördliche Extremadura) und stammt von Wolf Vostell. Ganz in der Nähe, in dem Dorf Malpartida bei Cáceres, hat er gelebt und gearbeitet, bis zu seinem Tod 1998.

Seit 40 Jahren zieht die Gegend Touristen an, 46.000 in diesem Jahr. Sie wollen sehen, wie Avantgarde und Rückständigkeit zusammenpassen. Wolf Vostell ist ein wichtiger Vertreter der Fluxus-Bewegung. Sie entsteht Anfang der 1960er-Jahre in New York. Amerikaner wie John Cage gehören dazu, aber auch Nam June Paik oder Joseph Beuys. Fluxus will Grenzen überwinden. Deshalb lautet ein Credo: Kunst ist überall, Kunst ist das Leben. Und deshalb gibt es keinen besseren Fluxus-Ort als Los Barruecos: ein Kunstwerk der Natur.

Protesthaltung

Wolf Vostell kommt 1932 in Leverkusen zur Welt, als Sohn eines Eisenbahners. Er wird Lithografenlehrling, Designer, Student an der Düsseldorfer Kunstakademie und entdeckt das abgelegene Stück Spanien 1958, mit 26 Jahren. Er reist in die Extremadura, weil er in Guadalupe die mystischen Ölgemälde des Barockmalers Francisco de Zurbarán kennen lernen will. Dort trifft er auf seine spätere Frau, die Volksschullehrerin Mercedes Guardado. Die beiden pendeln zeitlebens zwischen Spanien und Deutschland, zwischen den Barruecos und deutschen Großstädten.

Deutschland ist eine aufstrebende Wirtschaftsmacht, in der Gegenbewegungen wie Fluxus entstehen. Und Spanien ist ein armes, rückständiges Land, das Ende der 1970er-Jahre aus jahrzehntelanger Isolation erwacht. Mercedes Guardado, heute 83 Jahre alt und künstlerische Leiterin des Museums, erinnert sich an ihre ersten Kontakte mit Fluxus in Deutschland: "Sie hatten alles und waren doch nicht zufrieden", sagt sie im Museum, ganz in schwarz gekleidet und sorgfältig geschminkt, "erst allmählich verstand ich ihre Protesthaltung".

Werkschau in der Wäscherei

40 Jahre, von 1958 bis 1998, war Vostell künstlerisch aktiv. Sein Museum in Malpartida zeigt einen Teil seiner Werke. Es ist in einer ehemaligen Wollwäscherei untergebracht, einem hundert Jahre alten, restaurierten Ziegelbau. An den Wänden hängen Ölgemälde und Decollagen. Große Installationen, Objekte und Skulpturen stehen herum. Ein schwarzer Cadillac Fleetwood zum Beispiel, umgeben von leeren Tellern.

An seinen Seiten sind rote Rechen befestigt, die mechanisch betrieben sind und immer wieder über den glatten Boden kehren. Die Installation heißt "Auto-Fieber", Vostell hat sie 1973 gefertigt. Die Rechen wirken wie Heuschreckenbeine und sind eine Anspielung auf die Plage im Alten Ägypten. Und die leeren Teller verweisen darauf, dass viele Menschen auf der Welt Hunger leiden – während wir von schönen Autos träumen.

Zu Lebzeiten archiviert

Auch internationale Fluxus-Kunst ist zu sehen. Sie stammt aus dem Nachlass des italienischen Sammlers Gino di Maggio und ist höchst amüsant. Die Tasten eines altersschwachen Klaviers sind mit einem Ventilator, einem Föhn oder einem Fernseher verbunden. Sie machen das Klavierspiel zu einem verwirrenden Klangerlebnis. Das Archiv schließlich erfasst so gut wie alle Arbeiten von Vostell, sofern sie materiell zu erfassen sind. Happenings, Opern oder Performances sind mit Aufnahmen, Zeitungsausschnitten, Manuskripten oder Fotos dokumentiert. Das Material steckt in kleinen Holzschachteln und wurde von Vostell selbst noch zu Lebzeiten gesammelt. "Er hat alles dokumentiert, was er gemacht hat", sagt die Archivarin Josefa Cortés, "nicht aus Eitelkeit, sondern weil er davon überzeugt war: Kunst und Leben sind dasselbe".

Wer nach dem Museumsbesuch noch einmal eine Runde durchs Gelände dreht, der fühlt sich zwischen Steinen und Skulptur plötzlich selbst wie ein Performer. (Brigitte Kramer, 10.1.2016)