Ganz schön unterkühlt, erscheinen die Radlsitten in Wien, wenn man aus Kopenhagen kommt.

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Manchmal, sagt H., tun ihr die Autofahrer ja leid. Nicht in Wien. In Kopenhagen: Dorthin ist H. ausgewandert. Und dort, erzählt die Sportpsychologin, haben Autos primär eines: Nachrang. Vor allem das Rechtsabbiegen an Kreuzungen mit "Radwegbegleitung" könne dauern. Und Radwege sind in Kopenhagen Standard. Das Erstaunliche: Kopenhagens Autofahrer bleiben ruhig. Warten – oder steigen um. Aufs Rad. "Nur mit Lieb-Schauen", sagt H., "kriegt man diesen Wechsel aber nicht hin."

H. ist über Weihnachten in Wien. Und kämpft. Denn ihre Wiener Rad-Sozialisation war im Norden überflüssig: Wer in Wien nicht die Lücke nutzt und fährt, wie es im Motorradführerscheinkurs gelehrt wird – demonstrativ selbstbewusst und mit ausgefahrenen Ellenbogen -, wird abgedrängt, geschnitten, nicht ernst, aber vor allem nicht wahrgenommen.

Ellenbogen und Ego

In Kopenhagen eckt man so an. Outet sich als Tourist oder Neuankömmling: "Kopenhagen fließt. Und im Flow stören Ellenbogen und Ego."

Der dänische Fluss, sagt H., sei rasch und "wie von selbst" gekommen. Weit schwieriger sei es, sich jetzt wieder an Wien zu gewöhnen: "So oft, wie ich in einer Woche hier fast abgeschossen und abgedrängt, von sich öffnenden Autotüren knapp erschlagen, von meinen Vorrang missachtenden und mich bewusst gefährdenden Autofahrern beschimpft und beleidigt worden bin, habe ich es in Kopenhagen insgesamt nicht erlebt. Nur: Hier hält man das für normal – bis man sieht, dass es auch anders geht. Wenn man es will. Aber anscheinend will Wien nicht." (Thomas Rottenberg, 28.12.2016)