Als "schändlich" und "antiisraelisch" bezeichnete Israels Premier Benjamin Netanjahu die UN-Resolution vom Freitag.

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Jerusalem/Wien – In aller Regel konnte sich Israel bisher darauf verlassen, einen treuen Partner im UN-Sicherheitsrat zu haben: die USA. Doch dies hat sich mit vergangenem Freitag schlagartig geändert – wenngleich wohl nur für eine kurze Zeit: Barack Obama, der scheidende US-Präsident, der in knapp vier Wochen sein Amt an Donald Trump abgeben wird, ordnete in dem Gremium eine Stimmenthaltung an. Und so wurde eine von Neuseeland, Malaysia, Venezuela und dem Senegal eingebrachte Resolution mit 14 von 15 Stimmen verabschiedet, die von Israel den sofortigen Stopp aller Siedlungsaktivitäten im Westjordanland verlangt. Es war das erste Mal seit 1979, dass der Sicherheitsrat die israelische Siedlungspolitik in einer Resolution verurteilte; und auch ein Beschluss, der bei Benjamin Netanjahu für schwerste Irritationen – und für heftige Reaktionen – sorgte.

Israels Ministerpräsident ließ am Sonntag die Botschafter oder deren Stellvertreter jener Staaten ins Außenministerium vorladen, die für den Beschluss gestimmt hatten. Jeder sei zu einem persönlichen Gespräch mit dem jeweils zuständigen regionalen Direktor eingeladen worden, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Jerusalem.

Anweisung zur Rüge

Netanjahu hatte seine Mitarbeiter – er bekleidet neben dem Posten des Premiers auch jenen des Außenministers – angewiesen, die vorgeladenen Diplomaten zu rügen, berichtete die Nachrichtenseite ynet. Netanjahu selbst bewertete die Resolution als "schändlich und antiisraelisch". Die Beziehungen Israels zu den Vereinten Nationen würden nun auf den Prüfstand gestellt, so Netanjahu. Zahlungen von umgerechnet 7,5 Millionen Euro an fünf als israel-feindlich eingestufte UN-Institutionen seien bereits gestoppt worden.

Die israelischen Botschafter in Neuseeland und im Senegal berief Netanjahu zu "dringenden Gesprächen" nach Hause – de facto zog er damit die obersten diplomatischen Vertreter aus den beiden Ländern ab. Den ukrainischen Außenminister, der für Mittwoch zum offiziellen Arbeitsbesuch in Israel erwartet worden war, lud er kurzerhand aus.

Auch Gespräch mit Shapiro

Nicht vorgeladen wurde zunächst US-Botschafter Dan Shapiro, denn die USA hatten sich der Stimme enthalten und so, technisch gesehen, nicht gegen Israel gestimmt. Durch den Verzicht auf ihr Vetorecht hatte die USA aber de facto die Annahme der Resolution erst möglich gemacht. In einem zweiten Moment entschied sich Netanjahu um und zitierte den Diplomaten sogar zu einem persönlichen Gespräch ins Außenministerium. Es ist protokollarisch eher unüblich, dass solche Gespräche mit dem Minister persönlich stattfinden.

Netanjahu sagte später am Sonntag, hinter der Resolution steckten Obama und dessen Außenminister John Kerry. Deren Handeln stehe "natürlich in völligem Gegensatz zu der traditionellen US-Politik, nicht die Bedingungen für eine endgültige Lösung (des Nahostkonflikts, Anm.) zu diktieren". Angaben zum Inhalt des Gesprächs mit Shapiro wurden nicht gemacht. Auch Ron Dermer, Israels Botschafter in den USA, machte am Montag die Obama-Administration für die Resolution verantwortlich. Israel habe dafür Beweise, die man "der neuen Administration präsentieren" werde.

Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Samantha Power, erklärte, Israels Vorgehen stehe im Widerspruch zu dem von den USA verfolgten Ziel einer Zweistaatenlösung. Das Siedlungsproblem habe sich "so sehr verschärft", dass diese Vision nun ernsthaft in Gefahr geraten sei, daher hätten die USA kein Veto eingelegt. Die USA würden allerdings weiterhin zu Israel stehen.

Auf die Seite Israels stellte sich der künftige US-Präsident Donald Trump. Dieser twitterte kurz nach dem Votum, dass sich ab dem 20. Jänner 2017 (dem Tag seiner Vereidigung) nicht nur im Weißen Haus in Washington, sondern auch im UN-Hauptquartier in New York "vieles ändern" werde.

Positiv reagierte die in Washington angesiedelte liberale jüdische Lobby J-Street. In einer Aussendung schrieb sie: "Die Resolution ist in Übereinstimmung mit der andauernden Unparteilichkeit der US-Politik, die eine starke Unterstützung für die Zweistaatenlösung beinhaltet." Sie stehe in klarer Opposition zu "unverantwortlichen und schädlichen Aktionen". Dazu gehörten "Anstiftung (zu Gewalt) und Terror seitens der Palästinenser als auch israelischer Siedlungsausbau und die Zerstörung von Wohnungen (von Palästinensern)".

Zivile Kontakte abgebrochen

Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman stoppte am Sonntag die Kooperation mit der Palästinenserbehörde in politischen und zivilen Fragen. Die Sicherheitszusammenarbeit solle aber weitergehen. Zugleich bezeichnete er die für Mitte Jänner in Paris geplante Nahost-Friedenskonferenz als "echtes Tribunal gegen Israel" sowie einen "modernen Dreyfus-Prozess" – in Anspielung auf den antisemitischen Prozess gegen den französischen Artillerie-Hauptmann Alfred Dreyfus 1894. Heute sitze aber "nicht nur ein Jude auf der Anklagebank, sondern das ganze Volk Israel". Der ultrarechte Erziehungsminister Naftali Bennett rief außerdem dazu auf, als Reaktion auf den UN-Beschluss weite Teile des palästinensischen Westjordanlandes zu annektieren. (gian, red, 26.12.2016)