Wenig Grund zum Feiern: António Guterrez.

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New York – Formelle Macht hat der UN-Generalsekretär wenig bis überhaupt keine. Um Konflikte beizulegen, muss António Guterres geschickt verhandeln und seine Persönlichkeit einsetzen. Seine größte Herausforderung könnte in Washington liegen – bei Donald Trump.

Es war ein äußerst ungewöhnliches Bild. Plötzlich standen sie alle nebeneinander, die 15 UN-Vertreter mit Sitz im Sicherheitsrat, und lächelten feierlich. "Meine Damen und Herren, Sie sind Zeuge eines historischen Moments. Ich weiß nicht, ob das jemals so gemacht worden ist", sagte Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin. Seine amerikanische Kollegin Samantha Power stand neben ihm und nickte. Die sonst oft heillos zerstrittenen Diplomaten hatten sich geeinigt – auf den Namen des neuen Generalsekretärs.

"Unmöglichster Job der Erde"

António Guterres heißt der Mann aus Portugal, an dessen Stelle viele Beobachter lieber eine Frau und lieber jemanden aus Osteuropa gesehen hätten. Doch nun ist der 67-Jährige da, und nicht wenige hoffen, dass er zu seinem Amtsantritt am 1. Jänner einen Zauberstab aus dem Sakko zücken und die Weltorganisation auf magische Weise verwandeln wird. Was kann Guterres, der bereits das UN-Flüchtlingshilfswerks von 2005 bis 2015 führte, in seiner zunächst fünfjährigen Amtszeit leisten?

Nicht viel, sofern man dem ersten Generalsekretär Trygve Lie glauben mag. "Willkommen, Dag Hammarskjöld, zum unmöglichsten Job auf dieser Erde", sagte der, als er seinen Nachfolger im April 1953 in New York am Flughafen empfing. Mehr als ein halbes Jahrhundert später dürften die Aufgaben an der UN-Spitze keineswegs einfacher geworden sein. Und während der nach zehnjähriger Amtszeit scheidende Ban Ki-moon oft für seine Zurückhaltung gescholten wurde, erwarten einige von Guterres, mehr General zu sein als nur Sekretär. "Wird dies ein Anführer der Welt sein oder ein Verwalter?", fragt das "Wall Street Journal".

Keine formelle Macht

Dass der aus Lissabon stammende Familienvater fließend Englisch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch spricht, dürfte in der 193 Staaten zählenden Weltorganisation ein Pluspunkt sein. Ankommen wird es allerdings auf sein Auftreten vor und sein Verhandlungsgeschick hinter den Kulissen. Denn formelle Macht wird er von seinem Büro im 38. Stockwerk des UN-Hauptquartiers im New York kaum ausüben können – Erfolg und Misserfolg hängen davon ab, wie er sich öffentlich gibt. Im Vergleich zum zurückhaltenden Ban ist sicher noch Luft nach oben.

"Die wahre Macht eines Generalsekretärs liegt in der Wahrnehmung", sagt Professor David Bosco, der an der Indiana University die UN untersucht, dem Portal "Vox.com". "Diese Vorstellung des 'für die Welt Sprechens' verleiht einen Grad an Bekanntheit und moralischer Autorität. Ein kluger Generalsekretär kann das einsetzen, um Verhandlungen anzustrengen oder wesentliche humanitäre Initiativen anzuführen." Anders als beim künftigen US-Präsidenten Donald Trump, der im Weißen Haus an den wichtigsten Schalthebeln der Macht sitzt, hängt Guterres' Erfolg zu großen Teilen von seiner Persönlichkeit ab.

Schrittweiser Rückzug

Mit dem nach dem 20. Jänner 2017 aus Washington und teilweise auch aus New York regierenden Trump und dessen neuer UN-Botschafterin Nikki Haley muss Guterres sich auf zwei große Unbekannte einstellen. Der Einfluss der USA innerhalb der Vereinten Nationen ist bis heute enorm, und niemand kann derzeit abschätzen, welche Rolle Washington künftig im internationalen Gefüge spielen will und wird. Wird Trump die UN nutzen, um – wie er im Wahlkampf so oft versprochen hat – Deals zu schließen? Oder ziehen sich die USA schrittweise zurück?

Mit oder ohne Trump: Konflikte warten auf Guterres genug. Syrien liegt in Trümmern, die Flüchtlingskrise hat sich nur scheinbar etwas beruhigt, Nordkoreas Atomtests halten die Welt in Atem, und der afrikanische Kontinent wird von Kriegen und Terror heimgesucht. Auch der Ausgang des globalen Kampfs gegen den Klimawandel ist nach der Wahl Trumps zum Präsidenten offen. Guterres wird nachgesagt, ehrlich und geschickt zu verhandeln und Streit schlichten zu können – die Welt hätte es bitter nötig.

Und auch innerhalb der Weltorganisation gibt es der Baustellen genug. Guterres könnte die längst überfällige Reform des Sicherheitsrats vorantreiben, an der sich schon Bans Vorgänger Kofi Annan versucht hatte, und schleppende Abläufe beschleunigen. Unmittelbar nach seiner Vereidigung versprach er, die UN schlanker und effizienter machen zu wollen. Guterres fasste zusammen: "Es bringt niemandem etwas, wenn es neun Monate dauert, einen Mitarbeiter ins Feld zu schicken." (APA, 27.12.201)