7.12.1941: Die USS Arizona geht brennend unter.

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Japans Premier Shinzo Abe (Mitte) und seine Delegation legen am Ehime Maru Memorial im Kakaako Waterfront Park einen Kranz nieder.

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Shinzo Abe und Barack Obama...

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legten Kränze zum Gedenken an die Toten von Pearl Harbor nieder.

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Tokio – Schon vor dem Gedenken in Pearl Harbor am Dienstag Ortszeit am Mahnmal über dem Wrack des gesunkenen Kriegsschiffes USS Arizona wurde in Japan um die Bedeutung der Geste gerungen. Der Auftritt von Regierungschef Shinzo Abe wurde zunächst als Antwort auf den Hiroshima-Besuch von Präsident Barack Obama im August interpretiert.

Obama war der erste amtierende US-Präsident am Schauplatz des ersten US-Atombombenabwurfs. Abe ist der erste japanische Regierungschef seit 1957 in Pearl Harbor, erstmals gibt es ein offizielles Gedenken des japanischen Angriffs. Doch die Regierung in Tokio verneint eine Verbindung zwischen Hiroshima und Pearl Harbor. Vielmehr bewiesen die Besuche die tiefe Versöhnung zwischen den früheren erbitterten Kriegsgegnern. "Japan will zeigen, dass es die Vergangenheit bewältigt hat", erklärte Ippeita Nishida von der Sasakawa-Friedensstiftung.

Problematische Gleichstellung

Beide Seiten halten eine Gleichstellung der Ereignisse für problematisch. US-Nationalisten argumentieren, die Atombombe auf Hiroshima wäre nie abgeworfen worden, hätte Japan nicht Pearl Harbor angegriffen. Danach erklärten die USA Japan den Krieg. Umgekehrt sagen japanische Nationalisten, die Atombombe von Hiroshima mit weit mehr als 100.000 toten Zivilisten sei eine unverhältnismäßig starke Vergeltung für Pearl Harbor mit 2.000 toten US-Soldaten gewesen.

"Pearl Harbor war als unprovozierter Angriff auf die USA ein Kriegsauslöser, während Hiroshima der letzte Akt eines vierjährigen Krieges war", betont der Japan-Experte Michael Auslin vom American Enterprise Institute. Vor diesem Hintergrund hatte Obama im August Überlebende der Hiroshima-Bombe getroffen, aber sich nicht entschuldigt. Aber auch Abe will nur der Opfer gedenken und seinen "Willen zeigen, dass sich die Tragödie eines Krieges nie mehr wiederholt". Der nationalistische Politiker hatte auch bei seinen Reden zum 70. Jahrestag des Kriegsendes jede Entschuldigung vermieden.

Meinung geändert

Noch im Mai hatte Abe erklärt, er beabsichtige kein Gedenken in Pearl Harbor. Abe soll seine Meinung jedoch nach der Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten geändert haben. Trump gilt als Japan-Kritiker und hatte Obama im Wahlkampf vorgeworfen, bei seinem Hiroshima-Besuch im August zu Pearl Harbor geschwiegen zu haben. "Mit der Geste in Pearl Harbor beabsichtigt Abe, das japanische Bündnis mit den USA zu stärken, bevor Trump sein Amt antritt", erklärte der Historiker Nobuko Kosuge von der Yamanashi Gakuin Universität. Der Japan-Experte Auslin spricht vom "letzten Dämon der Vergangenheit" für beide Seiten. Nach dem Gedenken könne Trump eine kooperative, sogar eine tiefere Beziehung zu Japan verfolgen, meinte Auslin.

Risiko

Doch Abe geht mit dem Auftritt in Pearl Harbor ein politisches Risiko ein. Zwar kann er dort bei der Gedenkzeremonie an der Seite von Obama das Publikum zu Hause beeindrucken. Aber sein Auftritt als friedensliebender Nationalist an einem Ort der japanischen Aggression sei nicht ohne Ironie, merkte die japanische Historikerin Eri Hotta jetzt an, da Abe die Pazifismusklausel der japanischen Verfassung aufweichen und die Rolle von Japans Militär normalisieren wolle. Zudem rühre der japanische Angriff auf Pearl Harbor an Japans Verantwortung für den Pazifikkrieg. Genau darüber wolle Abe jedoch nicht mehr reden. Dieses Dilemma dürfte den Nationalisten bisher von einem Besuch in Pearl Harbor abgehalten haben.

"Unverantwortlich"

Das rechtsnationale Umfeld von Abe rechtfertigt den japanischen Angriff auf die USA mit dem Ölembargo durch die Vereinigten Staaten. 80 Prozent von Japans Öl kamen damals aus den USA. Eine alternative Quelle in Japans Hoheitsgebiet gab es nicht. Dennoch war die politische Entscheidung für den Angriff auf die US-Flotte in Pearl Harbor nach Meinung der Historikerin Hotta "unverantwortlich", weil Japan nach vier Jahren Eroberungen in China und Südostasien gar nicht mehr in der Lage war, einen weiteren Krieg zu führen. "Japans Führer zwangen ihr Land mit dem Mut eines verrückten Spielers in einen undenkbaren und zerstörerischen Krieg", so Hotta. Daher befinde sich Abe in Pearl Harbor in einer ganz anderen Situation als Obama in Hiroshima. Dieser Unterschied werde es der Abe-Regierung erschweren, an ihrer Version der Geschichte festzuhalten, wonach Japan keinen Angriffskrieg geführt habe. (Martin Fritz aus Tokio, 27.12.2016)