Ein Hauptwerk des Realismus von Tina Blau: das monumentale Gemälde "Frühling im Prater", gezeigt 1882 im Künstlerhaus.

Belvedere, Wien

Die Wiener Malerin Tina Blau (1845 – 1916).

Foto: Wi

Wien – Dieses Gemälde mache "ein Loch in die Wand", hieß es aus der Jury des Wiener Künstlerhauses abschätzig, bevor ebendort 1882 Tina Blaus Frühling im Prater gezeigt wurde. Tonig, dunkel waren die zeitgeistigen Bilder in der anstehenden Ersten Internationalen Kunstausstellung. In deren Kreis trat Blau mit einer tageslichtsatten Praterstudie.

Zu einer Zeit, da die Einfühlung in den Bildgegenstand das genaue Naturstudium à la Waldmüller verdrängt hatte, knüpfte die 37-Jährige an dessen Lichtmalerei an. Sie verfocht einen Stil, der das Sehen vor das Fühlen stellte, kein Detail wegpoetisierte. In der hellen Palette und im "zufälligen" Bildausschnitt sah die Kritik dabei auch Züge des ungeliebten Impressionismus.

Drang zur Ehrlichkeit

Mit dem jungen französischen Stil hatte Blau sich aber gar nicht direkt beschäftigt. Sie war bloß, so ein Zeitgenosse, mit einem "fast fanatischen Drang zur Ehrlichkeit" zu einer ähnlichen Anschauung gekommen. Und wenngleich sie der Idee des flüchtigen Eindrucks nur in Ölskizzen im engeren Sinne nachkam, so hatte Blau etwa schon früh die für die Impressionisten charakteristische Freiluftmalerei für sich entdeckt.

Dass die Malerin daher oft allein ihre Ausrüstung in die Natur schleppte, ist dabei nur ein markantes Detail dieser ungewöhnlichen Frauenbiografie, der sich aktuell eine kleine Ausstellung der Reihe "Meisterwerke im Fokus" im Belvedere widmet.

Unabhängigkeit galt der 1845 als Tochter eines jüdischen Arztes Geborenen zeitlebens als höchstes Gut. Nachdem sie schon mit 14 Kunstunterricht erhalten hatte, unternahm sie viele ihrer Studienreisen allein. Als 23-Jährige bemühte sie sich um Privatunterricht in München; das Akademiestudium sollte Frauen erst ab 1920 offenstehen. Als Lehrende war sie später u. a. an der von ihr 1897 mitbegründeten Wiener Kunstschule für Frauen und Mädchen tätig.

"Männlicher als die Männer"

Ihre Landschaftsbilder im Belvedere, wo anlässlich des 100. Todesjahres auch ein neu eingerichtetes Onlinewerkverzeichnis präsentiert wird, zeigen, dass Blau Sentimentalität und Pathos früh ablegte. Stimmungsimpressionismus, wie ihn etwa Emil Jakob Schindler vertrat, lag ihr ferner – wenngleich Blaus Teilhabe an dessen Künstlerkreis in den 1870ern dazu führte, dass ihre Palette vorübergehend dunkler wurde.

Den Fokus legte die von Rudolf von Alt oder Ferdinand Georg Waldmüller beeinflusste Malerin aber durchwegs stärker auf koloristische oder kompositionsbezogene Fragen, Sachlichkeit blieb vorherrschend. Und dies so sehr, dass es 1916 in einem Nachruf hieß, Blaus Arbeiten seien stets "herber und männlicher" erschienen als die der Männer. (Roman Gerold, 28.12.2016)