Der Kanzler und sein ungefragter Einflüsterer: Landeschef Hans Niessl (re.) gibt Ratschläge, was Christian Kern zu tun habe.

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Wien – Hans Niessl stellte die Forderung nicht zum ersten Mal auf, doch diesmal garnierte er sie mit einer Drohung. Die Regierung solle rasch eine neuerliche Steuerreform im Ausmaß von fünf Milliarden Euro auf den Weg bringen, um kleine Einkommen zu entlasten, empfahl der burgenländische Landeshauptmann im "Kurier": Lehne die ÖVP ab, müsse man über Neuwahlen diskutieren.

In der Chefetage der SPÖ stößt Niessls Ruf nach dem Ultimatum allerdings nicht auf Gegenliebe. "Wir halten nichts von Neuwahlen", sagt Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler, "ansonsten kommentieren wir das nicht". Letzteres lässt auch das Büro von Parteichef und Kanzler Christian Kern ausrichten.

Keine Drohungen

Auch von den roten Landeschefs sprang bis dato keiner Niessl zur Seite. "Man kann nicht mit einer Drohung ins neue Jahr starten", sagte Michael Schickhofer, Vizelandeshauptmann und SP-Obmann in der Steiermark, dem STANDARD. Zwar sei er sehr für eine Reform, die das Steuersystem verständlicher, sozialer und ökologischer mache, "aber Schnellschuss darf es keinen geben. Menschen und Unternehmen brauchen Planbarkeit. Und eine Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen ist ja bereits erfolgt."

Auch Bernhard Achitz, leitender Sekretär des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), verweist auf die im Vorjahr beschlossene, ab heuer umgesetzte Steuerreform. Dabei handle es sich immerhin um die größte seit 40 Jahren, sagt der Gewerkschafter: "Eine weitere Lohnsteuerentlastung hat nicht oberste Priorität."

Nicht realistisch

Natürlich habe er nichts dagegen, Arbeitnehmer noch stärker zu entlasten, sagt Achitz, wenn das Geld im Gegenzug durch Vermögenssteuern hereingespielt werde: "Doch das halte ich nicht für realistisch, denn diese Forderung war ja auch bei der aktuellen Steuerreform nicht durchsetzbar." Ohne Gegenfinanzierung durch andere Steuern bestehe aber die Gefahr, dass der Staat finanziell geschwächt werde: "Steuern sind ja nicht von Grund auf böse, sie finanzieren von den Schulen bis zu den Straßen wichtige Infrastruktur."

Ob Niessls Vorstoß, wie dieser behauptete, mit den "Freunden in der Gewerkschaft" abgestimmt sei? "Ich weiß davon nichts", sagt Achitz, "vielleicht meint Niessl die Kollegen im Burgenland."

Hinter vorgehaltener Hand fällt in der SPÖ so manches böse Wort über Niessl, der im Alleingang wieder einmal die Pläne der Parteispitze durchkreuzt: Schließlich bereitet sich Kanzler Kern gerade auf eine große Rede am 11. Jänner in Wels vor, bei der er wirtschafts- und steuerpolitische Pläne verkünden will. Abgesehen von der eigenen Profilierung verfolge Niessl offenbar noch ein Ziel, so eine Leseart: Er wolle die SPÖ aus der Koalition mit der ÖVP heraussprengen. (Gerald John, 28.12.2016)