Sie sind vor Krieg, Tod, Zerstörung und dem erbarmungslosen Recht des Stärkeren geflüchtet. Deutschland hat sie aufgenommen, sie fanden Schutz und Sicherheit. Und dann sollen sie hingegangen sein und einen Obdachlosen angezündet haben. Einen, der schwächer war als sie, der sich noch weniger wehren konnte. Es sind sieben sehr junge Männer, Buben fast noch, Flüchtlinge aus Syrien und Libyen, die das Grauenhafte getan haben sollen.

Da nützt es auch nichts, dass die Zeit schnell recherchierte, wie viele Obdachlose bereits von rechten Gewalttätern getötet worden waren. Diese Burschen aus Syrien und Libyen sind wieder ein willkommener Grund, warum die Europäer Flüchtlinge immer heftiger ablehnen und die westlichen Gesellschaften im Namen von Sicherheit und Freiheit immer unfreier werden.

Die Empörung darüber ist logisch und überraschend zugleich: Hat man denn tatsächlich geglaubt, dass man es bei den Flüchtlingen nur mit edlen Heimatvertriebenen zu tun habe, deren Integration bloße Formsache sei? Es sind entwurzelte Menschen, die Gewalt selbst erlebt und erlitten haben und die, besonders die ganz Jungen, kaum gelernt haben, Konflikte anders als gewalttätig zu lösen. Dennoch: Auch weiterhin brauchen Menschen aus den Krisenregionen dieser Welt Schutz und Zuflucht in Europa, und es wäre Verrat an allen europäischen Werten, ihnen dies nicht zu gewähren. Schlimm genug, dass 2016 die Zahl der im Mittelmeer Ertrunkenen mit fast 5000 Toten einen neuen Höchststand erreicht hat.

Dass mit den großteils muslimischen Flüchtlingen auch der Terror "wie ein Pilzlager" kam, wie der tschechische Präsident Milos Zeman in seiner wahrhaft unchristlichen Weihnachtsansprache sagte, ist blanke Polemik und hilft nicht weiter. Der getötete mutmaßliche Berlin-Attentäter Anis Amri etwa kam vor Beginn der großen Fluchtbewegung nach Deutschland. Er hatte fünf verschiedene Identitäten, und als ihn Interpol bereits suchte, reiste er unbehelligt durch Europa. Die Abschiebung von amtsbekannten Gewalttätern und religiösen Fanatikern funktioniert offenbar ganz und gar nicht. So wenig, wie Europa einen Plan zur Aufnahme von Flüchtlingen hat, so wenig weiß man, wie man unerwünschte Personen wieder loswird. Die Solidarität unter den EU-Partnern ist enden wollend, die Union wurde im vergangenen Jahr von nationalstaatlichen Egoismen fast zerrissen.

Ein Masterplan, den alle europäischen Staaten tragen, muss her. Dafür wird ein EU-Gipfel nicht reichen. Es braucht eine Konferenz von der Dimension des Wiener Kongresses, nach dem Motto: Wir stehen erst vom Tisch auf, wenn wir eine Lösung haben.

Das Themenfeld ist weit: Flüchtlings- und Migrationsthema müssen getrennt betrachtet werden, es braucht eine gemeinsame europäische Einwanderungspolitik. Es gilt das Verhältnis zur Türkei zu klären. Griechenland und die Balkanstaaten sowie Italien müssen endlich die Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Es muss aktiv versucht werden, die USA und Kanada einzubeziehen. Es geht um Entwicklungs- und Rückkehrhilfe für Menschen ohne Aussicht auf Asyl, wie sie etwa Deutschland bereits recht erfolgreich praktiziert.

Man soll sich keinen Illusionen hingeben: Einfache Antworten wird es nicht geben, schmerzfreie und gerechte wohl auch nicht. Doch weiterzuwursteln wie bisher ist bestimmt die schlechteste aller Lösungen. (Petra Stuiber, 28.12.2016)