Im Jahr 2016 konnten die meisten Finanzanlagen nicht mit der Wiener Börse Schritt halten.

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Wien – Zunächst die Sorgen wegen eines Konjunktureinbruchs in China, dann das Ausscheren Großbritanniens aus der EU und schließlich die Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten – Ende des vergangenen Jahres hätte wohl die Mehrheit bei solch einer Gemengelage auf ein schwaches Finanz- und Börsenjahr 2016 getippt. Eingetreten ist das Gegenteil: Wer seine Nerven und Veranlagungen das ganze Jahr über behalten hat, konnte an den meisten Märkten gut verdienen.

Wobei sich die Wall Street gemessen am marktbreiten S&P-500-Index schon vor der US-Präsidentschaftswahl in Rekordlaune zeigte und nach Trumps Triumph noch einen Zahn zulegte. Damit konnten die meisten europäischen Börsen nicht Schritt halten, von zwei Ausnahmen abgesehen: nämlich der Londoner Börse, wobei der Kursverfall des Pfunds für Anleger aus der Eurozone den Großteil der Gewinne vernichtete, sowie dem Wiener Aktienmarkt.

Heimische Analysten erwarten vom Wiener Leitindex 2017 neuerlich eine ansprechende Performance, wobei die Raiffeisen Centrobank den Markt vor allem im ersten Halbjahr im Aufwind sieht. Eine verbesserte Konjunktur in Westeuropa und robuste Wirtschaftsdaten aus dem Osten des Kontinents würden dem ATX ebenso Auftrieb verleihen wie der tiefe Euro, von dem Exporteure profitieren sollten. Ihre Zielmarke für Ende 2017 für den Index lautet 2800 Punkte, das entspricht gut sechs Prozent Kurspotenzial.

ATX-Anstieg auf 2800 Punkte

Auf exakt derselben Marke erwartet auch die Erste Group den ATX in zwölf Monaten – und begründet dies mit höherem Wachstum in Osteuropa. Während die Wirtschaftsleistung im nächsten Jahr dort um durchschnittlich drei Prozent steigen solle, müsse sich die Eurozone mit 1,7 Prozent begnügen. Zudem verweist Analyst Christoph Schultes auf einen Schwenk zu konjunktursensibleren Unternehmen seit Herbst dieses Jahres: "Gute Konjunkturaussichten verbunden mit steigenden Renditen lassen zyklische Aktien wieder attraktiver erscheinen."

Ob Anleger grundsätzlich an den europäischen oder den US-Börsen besser aufgehoben sind, ist für Thomas Steinberger, Geschäftsführer des Fondsanbieters Spängler Iquam Invest, gewissermaßen eine Glaubensfrage: nämlich ob man bei den 2017 anstehenden Wahlen auf dem Alten Kontinent europakritische Ergebnisse erwartet, was Steinberger auf etwa 25 Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit taxiert. Aber nicht nur deshalb würde er der Wall Street gegenüber Europa den Vorzug geben.

Lieber Wall Street als Europa

Eine geringe Rolle spielt dabei die Ertragslage, denn "dass sich die Unternehmensgewinne verbessern, gilt für die USA und für Europa". Unterstützung erwartet Steinberger vielmehr von Trumps angekündigten Steuererleichterungen sowie der Heimholung noch nicht patriierter Unternehmensgewinne. Dies sollte zu höheren Dividenden, vermehrten Aktienrückkäufen und Investitionen führen: "Das sind Sonderfaktoren, die das Bild positiv beeinflussen können." Allerdings müsse man in den USA mit weiteren Zinsanhebungen rechnen: "Die Dynamik der US-Wirtschaft ist hoch genug, dass man die Zinsen anheben wird."

Dies lässt schwere Zeiten für die US-Anleihenmärkte erwarten – sowie für das unverzinste Gold, das heuer einen Großteil seiner zwischenzeitlichen Gewinne im Herbst wieder abgeben musste. Ähnlich ist die Lage bei europäischen Staatsanleihen, wo zuletzt Renditeanstiege zu beobachten waren. Aufgrund der in den ersten sechs Monaten erzielten Kursgewinne zeigten aber auch zehnjährige österreichische Staatsanleihen ein weiteres Mal eine ansprechende Entwicklung. Sollte die EZB ihre Anleihenkäufe Ende 2017 auslaufen lassen, könnte sich dies rasch umkehren. Im Gegensatz zu Schuldpapieren und Gold sind Sparbücher vor Verlusten gefeit, die Zinsen werden aber auch 2017 mickrig ausfallen. (Alexander Hahn, 29.12.2016)