Ilka Minor hat großen Respekt vor der Herausforderung.

Foto: Andrea Mickova

Testfahrten mit Martin Prokop.

Martin Prokop Official

Wien/Asunción – Im Grunde ist der Markenname ein dreister Etikettenschwindel. Die Rallye Dakar führt schon lange nicht mehr in die senegalesische Hauptstadt. Der afrikanische Kontinent hatte das Rennen 2008 aufgrund von Sicherheitsbedenken verloren, seither wird es fernab der Sahara in Südamerika ausgetragen. Aber gut, auch dort gibt es unwägbares Gelände, auch dort gleicht ein Strauch dem anderen. "Du fährst in die Botanik und weißt nicht, wohin", sagt Ilka Minor.

Die Kärntnerin betreibt Understatement, sie ahnt durchaus, wo es langgeht. 125 Weltmeisterschaftsläufe hat die 41-Jährige als Co-Pilotin absolviert, nun gibt sie ihre Premiere bei der Dakar. Als der Tscheche Martin Prokop ihr einen Platz in seinem Ford F150 Raptor anbot, blieb die Nachdenkphase aus: "Ich bin sofort aufgesprungen. Und zwar mit großem Respekt vor der Herausforderung."

Grenzerfahrung

Am Montag werden in Asunción, also in Paraguay, zwölf Etappen in Angriff genommen. Fast 9000 Kilometer müssen die Teilnehmer bis ins Ziel am 14. Jänner in Buenos Aires bewältigen. Die Streckenführung durch die Dünen von Argentinien und Bolivien erfordert reichlich Erfahrung im Umgang mit dem Kompass. "Normalerweise kann man sich zwei Wochen vorab mit dem Kurs befassen, bei der Dakar erhält man Roadbook und Karten am Vortag." Und die Etappen haben es in sich. So sind etwa am 11. Jänner zwischen Salta und Chilecito 977 Kilometer am Stück zu fahren. "Das sind zwei WM-Läufe an einem Tag. Du fährst im Dunkeln weg, du kommst wieder im Dunkeln an." Man stößt körperlich und psychisch an Grenzen. Anschließend wird in der Servicezone übernachtet, Glanz und Glamour sehen anders aus.

"Das Ziel ist das Ziel", sagt Minor. In der Tat hat das Durchkommen für die meisten Teilnehmer höchste Priorität. Vor allem, wenn sie nicht im Auto, sondern auf dem Motorrad sitzen. Der Tiroler Heinz Kinigadner brachte Beobachter einst mit seinem spektakulären Fahrstil zum Schwärmen, schied aber bei allen sieben Teilnahmen aus, teils mit schweren Verletzungen.

Schwieriger geht es nicht

Matthias Walkner stand 2016 auf dem dritten Platz der Gesamtwertung, ehe er sich bei einem wilden Sturz den Oberschenkel brach. Der 30-jährige Salzburger ist auch diesmal ein Anwärter auf einen Platz unter den ersten fünf, nach einem Jahr im Zeichen der Rehabilitation fühlt er sich fast vollständig wiederhergestellt. Als zweiter Österreicher in der Motorradkategorie nimmt der 49-jährige Vorarlberger Markus Berthold erstmals das Rennen in Angriff.

Der Mythos des Wüstenklassikers wird vom Ausrichter sorgsam gepflegt, laut Renndirektor Marc Coma sei der diesjährige Parcours der schwierigste seit dem Wechsel nach Südamerika. Höher, härter, länger. Dabei war die Aufgabe für den Tross bislang schon fordernd genug, fünf tödlich verunglückte Motorradfahrer seit 2009 sind kein Ruhmesblatt für die Veranstalter und deren Sicherheitskriterien. Mit Knautschzone und Gurt lässt sich der Rallye aber eine Spur entspannter entgegenblicken als auf zwei Rädern: "Wir wollen nach 13 Tagen in Buenos Aires über die Rampe fahren", sagt Minor, "und ich gehe davon aus, dass uns nichts passiert." (Philip Bauer, 1.1.2017)