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Besonders seit dem US-Wahlkampf steht das Thema "Fake-News" auf der Agenda.

Foto: Reuters/Kilcoyne

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Auf dem Bildschirm ist die Webseite "USA Daily News 24" zu sehen, die mit Falschnachrichten Gewinn macht. Sie ist in Mazedonien registriert.

Foto: AP/Satter

Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten hat etablierte Medien und Politiker offenbar aufgeweckt: Plötzlich warnten alle drastisch vor Fake-News in sozialen Medien, die wohl zu Trumps Erfolg beigetragen haben. In immer mehr Ländern wurde daraufhin über die Einrichtung von Anti-Fake-News-Zentren nachgedacht, etwa in Deutschland oder Tschechien. Gesetze gegen Falschmeldungen sollen sogar EU-weit erlassen werden. Der Chef des britischen Geheimdienstes warnte vor einer "Gefahr für das demokratische System". Renommierte Medien wie der "Spiegel" oder die "New York Times" schlugen ebenfalls Alarm, auch im STANDARD wurde wiederholt über Fake-News berichtet.

"Establishment" produziert Fake-News?

Doch mittlerweile haben auch jene, deren Texte oftmals mit der Bezeichnung "Fake-News" mit gemeint waren, den Begriff übernommen. So führte etwa die FPÖ-nahe Seite "unzensuriert.at" eine "Fake-News-Wochenschau" ein, bei der es um Beiträge klassischer Medien wie STANDARD oder "Kurier" gehen soll. Das politisch rechts außen positionierte Portal schreibt: "Seit einigen Wochen versucht das polit-mediale Establishment unter dem Begriff 'Fake-News', nicht dem Mainstream entsprechenden Journalismus zu diskreditieren, um ihn in weiterer Folge von den als Nachrichtenverbreiter immer wichtiger werdenden sozialen Medien zu verbannen oder die alternativen Medien gar zu kriminalisieren."

Parallel dazu schießt sich auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf Initiativen gegen Fake-News ein – während seine Partei von den Betreibern der Hoaxmap, die von Journalisten als falsch widerlegte Gerüchte sammelt, als eine der aktivsten Verbreiter von Falschmeldungen im deutschsprachigen Raum genannt wird. Auch in den Foren des STANDARD häuft sich die Zahl jener User, die Berichte als "Fake-News" diffamieren – etwa weil sie der Quelle des Artikels nicht trauen oder die politischen Implikationen der Meldung ablehnen.

Clickbait und Propaganda

"Der Begriff ist für eine fachliche Debatte nicht sinnvoll", sagt der Medienforscher Fritz Hausjell. Es werde in den Terminus "viel hineingepresst, was für eine differenzierte Auseinandersetzung nicht förderlich ist". Tatsächlich tauchten in Artikeln oder Kommentaren über Fake-News in den vergangenen Monaten unterschiedlichste Arten von Desinformationsinhalten auf.

Da gab es etwa die Erzeugnisse jener jugendlichen "Fake-News"-Erfinder aus Mazedonien, die aus rein ökonomischen Gründen Geschichten erfinden. Sie erhoffen sich eine hohe Klickrate auf ihre Artikel und dementsprechende Werbeeinnahmen. Da Artikel über Donald Trump hohe Zugriffe brachten, schwenkten sie während der Wahlen auf erfundene Texte zu Trump und dessen Rivalin Hillary Clinton um. Derartige Webseiten, die erfundene Nachrichten zur Zugriffsmaximierung bringen, gibt es aber schon seit Anbeginn des Webs.

Außerdem gibt es auch noch die klassische Fehlmeldung, die von Journalisten produziert wird. Laut Hausjell gibt es hier mehrere Varianten: Einerseits können Falschmeldungen absichtlich von außen lanciert werden, um die Meinung der Leser zu beeinflussen. Der Journalist wird quasi instrumentalisiert und mit falschen Informationen gefüttert, die er entweder nicht widerlegen kann – sei es, weil ihm dafür die Zeit fehlt, sei es, weil er gar keine Möglichkeit dazu hat, etwa weil es sich um "geheime Informationen aus Regierungskreisen" handelt.

Bei der Falschmeldung "von innen" sind Journalisten laut Hausjell "ihrer Recherchethese aufgesessen und Opfer ihrer Vorurteile" geworden. Viele Menschen unterscheiden allerdings nicht mehr zwischen Meinung und sachlichem Artikel und denken deshalb, Journalisten würden in ihren Kommentaren Fakten präsentieren, während sie tatsächlich Fakten interpretieren oder über zukünftige Entwicklungen spekulieren.

Lügenpresse-Vorwurf

Schließlich ist in den vergangenen Wochen jene Lesart aufgekommen, die "Fake-News" als logische Fortsetzung der "Lügenpresse" liest, die also an eine "Propaganda" des "Systems" glaubt. Die Nachrichten seien "Fake", wenn sie sich etwa auf offizielle Angaben von Regierungsparteien oder "gefärbten" Thinktanks verließen.

Dem gegenüber stehen anfangs erwähnte "etablierte" Institutionen, die Fake-News als politisches Mittel von "Systemgegnern" wie Trump sehen und darauf verweisen, dass beispielsweise staatliche russische Auslandsmedien wie Sputnik oder RT (früher Russia Today) mit Falschmeldungen hantieren. Wie schon im Bereich der gesamten "Lügenpresse"-Thematik zeigt sich hier der schmale Grat zwischen einer gesunden Medienkritik und einer gefährlichen Verleumdung aller etablierten Medienportale.

Ein Beispiel aus dem Bereich der Netzpolitik zeigt, wie schwierig der Begriff ist: Der britische "Guardian" publizierte vor kurzem eine Zusammenfassung eines Interviews, das die italienische "La Repubblica" mit Wikileaks-Gründer Julian Assange geführt hatte. Der "Guardian" berichtete, Assange habe dort gesagt, dass es in Russland keinen Bedarf für Whistleblowing über Wikileaks gibt, da es in Moskau eine "offene Debatte" gebe. Doch "La Repubblica" veröffentlichte das Originalinterview auf Englisch, in dem Assange unter anderem davon sprach, dass es in Russland "Konkurrenz für Wikileaks" gebe und Wikileaks keine russischsprachigen Mitarbeiter habe, allerdings bereits mehr als 800.000 Dokumente zu Putin und Russland publiziert habe.

Auf "The Intercept" heißt es dazu, dass "jene, die am lautesten gegen Fake-News rufen, diese selbst verbreiten." Die Seite, die sich auf Whistleblowing und Überwachungsthemen spezialisiert hat, unterstellt dem "Guardian"-Journalisten, wegen seiner Nähe zu Clinton und Querelen zwischen "Guardian" und Wikileaks das Interview absichtlich verzerrt zu haben. Der "Guardian" hat seine Zusammenfassung des Assange-Interviews mittlerweile abgeändert.

Kritik von FPÖ-Chef Strache

"Sollte tatsächlich ein Straftatbestand für Desinformation eingeführt werden, dann müsste es die ersten großen Strafen für die gesamte Bundesregierung samt ihrer Riege an medialen Hofberichterstattern hageln", sagte FPÖ-Chef Strache laut einer Aussendung. Ein ähnliches Argument hatte auch Hoaxmap-Betreiberin Karolin Schwarz, die zuvor die FPÖ stark kritisiert hatte, bei einem Vortrag am Chaos Communication Congress vorgebracht: Sie erinnerte daran, dass der deutsche Innenminister Thomas de Maizière (CDU), der sich aktiv gegen Fake-News zu engagieren scheint, in den vergangenen Monaten mit nicht beweisbaren Aussagen zu Flüchtlingen aufgefallen war.

Hausjell schlägt vor, dass in den Bereich der Medienbildung investiert wird. "Die, die sich für Medien interessieren, haben oftmals ein erstaunlich geringes Fachwissen über den Medienbereich", sagt Hausjell in Bezug auf jene "Kritiker", die etwa an Debatten über die "Lügenpresse" und "Fake-News" teilnehmen. Dem klassischen Medienorganisationen rät Hausjell, Gerüchten nachzugehen.

"Ein neues Feld für den Journalismus"

"Gerüchte, die durchs Netz getrieben werden, sind mittlerweile ein neues Feld für den Journalismus", sagt Hausjell. Das Mantra, dass Zeitungen über Gerüchte nicht berichten sollten, da diese dann erst recht bekannt seien, ist laut Hausjell mittlerweile überholt. "Diese Meldungen kommen ohnehin an die Endnutzer", sagt Hausjell. Journalisten sollten vermeintliche Fake-News prüfen und ihre Recherche transparent offenlegen. (Fabian Schmid, 4.1.2017)