Lange vor Lady Gaga erregte Jana Sterbak mit einem Kleid aus rohem Fleisch Aufsehen: "Flesh Dress For An Albino Anorexic", 1987.

Foto: Jana Sterbak

Innsbruck – Nähert sich ein Besucher im schummrigen Galerieraum dem stilisierten Kleid aus Stahlgeflecht, hält er unwillkürlich inne. Seine Bewegung hat einen Mechanismus in Gang gesetzt, der in die Skulptur eingewobene Drähte orangerot zum Glühen bringt und neben spürbarer Hitze ein irritierendes Gefühl zwischen Anziehung und Abstoßung, Neugierde und Angst vermittelt. Ähnlich ist es beim Objekt nebenan, einer glühend roten Krone, die noch bedrohlicher strahlt.

Jana Sterbaks The Dress (1984/85) und Hot Crown (1998) konfrontieren schon in den ersten Räumen der Ausstellung Life-Size in der Galerie im Taxispalais – der ersten österreichischen Retrospektive der in Montreal lebenden 61-jährigen Künstlerin – mit zentralen Themen ihres Werks: Gefahr und Verlockung, Macht und deren Missbrauch, Kleidung als zweite Haut, aber auch als Korsett und Maskierung.

Blick auf 30 Schaffensjahre

Auch Bezügen zur griechischen Mythologie (in oben genanntem Fall zu Medea) und der Unmittelbarkeit, mit der sich Sterbaks Arbeiten emotional erschließen, begegnet man in den aus 30 Schaffensjahren ausgewählten Skulpturen, Fotografien, Filmen und Performances immer wieder. Gleich mehrmals zum Beispiel dem Sisyphosmythos, einmal als eindrücklich auswegloses Perpetuum mobile, ein andermal als Steinrucksack mit Lederriemen, der das Objekt des Leidens plötzlich tragbar macht und die Geschichte damit positiv-ironisch umschreibt. Titel: Sisyphos-Sport.

International bekannt wurde Sterbak 1987 mit einem Kleid aus zusammengenähten Stücken rohen Fleisches. Die Arbeit Vanitas: Flesh Dress for an Albino Anorexic ist in der Taxisgalerie als Fotografie präsent. Der aggressiv zur Schau getragene Kontrast zwischen Eitelkeit und Verfall ist schön und Abscheu erweckend zugleich und wurde entsprechend kontrovers diskutiert.

Venedig aus Hundesicht

Besonders interessant: Inspiration für den Titel Vanitas ... war ein Objekt aus dem Tiroler Volkskunstmuseum, das die Künstlerin vor Jahren auf einer Ansichtskarte entdeckte und nun ebenfalls in die Ausstellung holte: ein zirbenhölzerner, gefasster Handtuchhalter von 1675, der halb junge Prinzessin, halb Skelett ist und vor Vergänglichkeit und Tod warnte.

Auch aus Brot, Schokolade oder Eis, aus Glas oder menschlichem Haar fertigt Jana Sterbak ihre symbolisch aufgeladenen Skulpturen, die mit ihrem ephemeren Wesen mitunter auch zu Protagonisten ihrer Performances werden. Dass sie auch den leisen Humor beherrscht, beweist die Künstlerin, wenn sie ihren Hund Stanley, wie ein putziger Cyborg mit Kameras bestückt, 2005 durch Venedig schickte, um die Stadt aus tierischer Perspektive aufzunehmen.

Oft wird Sterbak als feministische Künstlerin wahrgenommen. Sie selbst sieht ihre Arbeit aber als eine Auseinandersetzung mit Identität und menschlichen Seinszuständen die unabhängig vom Geschlecht ist. (Nicola Weber, 2.1.2017)