Justizminister Wolfgang Brandstetter ist in der Causa "Gaskammer-Leugnung Mauthausen" dem Rat des Weisungsrats zur Einstellung gefolgt.

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Wien – Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) hat erstmals ausführlich zur Causa "Gaskammer-Leugnung Mauthausen" Stellung genommen. Auf acht Seiten beantwortet er eine parlamentarische Anfrage der Grünen rund um den Nationalratsabgeordneten Karl Öllinger zur Rückziehung einer Wiederbetätigungsanklage gegen einen Anwalt. Gemäß Empfehlung des Weisungsrats erwirkte das Ministerium im vorigen Oktober bei der Staatsanwaltschaft Wels, von der (von der Oberstaatsanwaltschaft Linz genehmigten) rechtskräftigen Anklage zurückzutreten.

Brandstetter verteidigt die Verfahrenseinstellung, die in der Öffentlichkeit für Entrüstung sorgte. Es gehe um ein Äußerungsdelikt, dessen sich "strafbar macht, wer die nationalsozialistischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit schlechthin und nicht bloß in Randbereichen, sondern in ihrem Kern leugnet ..., gröblich verharmlost, ... gutheißt oder zu rechtfertigen sucht". Das sei eben nicht der Fall gewesen. Zur Lösung dieser Rechtsfrage sei immer "eine einzelfallbezogene, differenzierte Betrachtung erforderlich".

Kontext wichtig

Um die Rechtsansicht der Justiz zu erklären, gibt der Minister das gesamte Plädoyer des Anwalts, um das es geht, wieder. Der Jurist war als Pflichtverteidiger für einen der Wiederbetätigung angeklagten (und freigesprochenen) Oberösterreicher tätig. Im Schlussplädoyer sprach er davon, dass es "strittig sei, ob in Mauthausen Vergasungen und Verbrennungen stattfanden, für Hartheim (Tötungsanstalt Schloss Hartheim; Anm.) ist das erwiesen".

Aus dem nun publik gemachten gesamten Plädoyer-Text ergibt sich, dass der Anwalt auch sagte, dass "die Konzentrationslager die gesamte Gruppe betrafen, die der Nationalsozialismus als seinen Feind betrachtet hat, insbesondere auch politisch anders Stehende oder Leute, die gegen den absurden Kodex der Nationalsozialisten verstoßen haben ...".

"Nicht bagatellisiert"

Der Weisungsrat sah darin keine Wiederbetätigung. Man dürfe die "inkriminierten Äußerungen nicht aus dem Gesamtkontext des Plädoyers ... herausgelöst betrachten", so das Gremium laut Anfragebeantwortung. Dem sei zu entnehmen, dass der Anwalt Massenmorde der Nazis und Existenz von Gaskammern "als historische Tatsache angesprochen und in keiner Wiese bagatellisiert hat".

Auch die Ansicht der von Christian Pilnacek geleiteten Strafsektion im Ministerium erschließt sich aus Brandstetters Antworten. Sie hätte die Anklage laut ihrem Erledigungsentwurf zwar "für vertretbar gehalten", der Staatsanwaltschaft aber sehr wohl "argumentative Ergänzungen zum Anklagestandpunkt aufgetragen". Pilnacek hat die Empfehlung des Weisungsrats als falsch kritisiert.

"Öffentlicher Aufschrei"

In der Anfragebeantwortung geht Brandstetter auch auf Grundsätzliches ein. "Die eindeutige Ablehnung des Nationalsozialismus sei "eine der Säulen" der Zweiten Republik. "Der vielstimmige öffentliche Aufschrei wie aus einem Mund, die intensive Aufklärung – und: ja, auch die rechtspolitische Diskussion" seien "wichtige Elemente im Umgang einer aufgeklärten, auf Demokratie und Rechtsstaat beruhenden Gesellschaft mit radikalen Tendenzen".

Nicht immer allerdings entspreche die strafrechtliche Konsequenz eines "nicht akzeptablen Verhaltens" dem, was Bürger von ihrem Justizsystem erwarten, weiß Brandstetter. Und das solle auch weiterhin "Gegenstand der rechtsstaatlichen Debatte" sein. (Renate Graber, 3.1.2017)