Als Mutter hat man nach einer Geburt sehr viele Fragen zum eigenen, neuen Kind. Zur Ernährung, den Schlafenszeiten und der korrekten Wickeltechnik zum Beispiel. Oder zu den richtigen Erziehungsmethoden und zur Entwicklungsförderung. Und eine Frage, die bleibt für immer, egal, wie alt das Kind ist: Die Frage nämlich, ob – und wie – man selbst alles richtig und vor allem gut für das Kind macht.

Möglicherweise bleibt auch jene Frage, ob die Erbsensuppe, das Buch von Jan-Uwe Rogge, das Babyschwimmen und die sündteuren Baumwollwindeln vielleicht gar nicht so notwendig, aufschlussreich, gesund und förderlich für den Nachwuchs waren. Dann gibt es Mütter im Freundes- und Bekanntenkreis, die haben anscheinend auf all diese Fragen nicht nur immer eine passende, sondern sogar die richtige, einzig wahre Antwort gefunden.

Foo Fighters im Kreißsaal? No-Go!

Die erste dieser Mütter ist mir während der Besichtigung des Kreißsaales bei meiner ersten Schwangerschaft begegnet. Sie hat die Hebamme gefragt, ob sichergestellt sei, dass das Kind sofort nach der Geburt in ein rotes Handtuch gewickelt werde, um das Geburtstrauma möglichst gering zu halten. Und ob es möglich sei, während der Geburt klassische Musik im Hintergrund zu spielen. Das Kind solle nicht durch unharmonische Geräusche erschreckt werden. Ob da eh ein CD-Player vorhanden wäre oder einer von zuhause mitgebracht werden müsse?

Ich verstand nur Bahnhof. Meine Lieblingsband damals waren die Foo Fighters, und ich hörte sie in der Karenz in voller Lautstärke über Kopfhörer, während ich durchs Wohnzimmer flitzte. Ich verkniff mir also jeden Kommentar. Während die anderen werdenden Mamas wie kleine Wale auf Pölstern über den Boden robbten, fiel mir ein, dass Frauen in Krisenregionen, Frauen in Kriegsgebieten, Frauen überall auf der Welt jeden Tag Kinder bekommen. Da würde ich das im superentwickelten medizinischen Hochleistungsland Österreich ja wohl irgendwie hinkriegen, ganz ohne rotes Handtuch und klassische Musik. Nur ich und die Foo Fighters.

Du weißt, was du brauchst

In der Zwischenzeit war die Diskussion der perfekt vorbereiteten Erstgebärenden bei den Vor- und Nachteilen von Geburtshockern, Haus- und Wassergeburten angelangt. Und ich war gedanklich raus und summte "it’s times like these" vor mich hin.

Mittlerweile suche ich das Weite, wenn ich solchen Frauen begegne. Oder ich sage zu ihnen etwas wie: Liebe Erstgebärende, du als Frau wirst bei der Geburt deines Kindes selbst wissen, was du brauchst. Du wirst es artikulieren. Und die Menschen, die in diesem Moment um dich herum sind, die werden dir helfen. Weil du sie nämlich ansonsten beißt oder kratzt oder mit dem Fuß nach ihnen trittst. Nein, ich habe nicht alles davon getan, aber ja, alles davon kenne ich zumindest aus Erzählungen. Übrigens: Ich wäre in der von allen so vielgelobten, entspannenden Badewanne fast ertrunken.

Ich weiß genau, was das Beste ist – aber bitte nur für mich

Es hörte nach dem Kreißsaal-Besichtigen aber nicht auf. Die Erfahrung lehrt: zu jeder Lebenssituation mit Kindern findet sich eine Mutter, die es viel besser weiß als man selbst. Das Fatale ist: Diese Mütter haben die Fähigkeit, uns anderen ein schlechtes Gewissen zu machen. Weil ja scheinbar ihr Weg der Beste für alle Kinder ist. Weil sie genau dieses eine neue wichtige Buch zum Thema Trotzphase gelesen haben, oder weil genau ihr Kinderarzt, der einzig richtige übrigens, darüber schon immer gesprochen hat.

Vielleicht ist ihr Weg tatsächlich der Beste – aber bitte nur für ihr Kind. Welche Entscheidungen wir treffen und wie wir unsere Kinder erziehen, das ist nämlich unsere höchstpersönliche Aufgabe und Verantwortung. Eine Verantwortung übrigens, die wir vielleicht deshalb am besten wahrnehmen können, weil wir diese Kinder besser als sonst jemand auf der Welt kennen.

"Darf dein Lukas echt in die HBLA?"

Besserwisser-Mütter sagen Sätze wie: "Also ich gebe dem Maxi schon fünfmal täglich Obst und Gemüse, das muss ja sein. Schaffst Du das nicht?" Nein, tue ich nicht. "Mein Sohn hat sich schon mit sechs Monaten selbstständig hochgezogen, dass deine Tochter das mit zehn Monaten noch immer nicht macht, würde ich schon mal mit dem Kinderarzt abklären." Der sagt, alles ist gut und ich soll mich nicht von hypernervösen Mamis panisch machen lassen. "Weißt du schon, dass Sandalen aus Billigschuhgeschäften den Fuß verformen und dein Kind dann später Probleme haben wird?" Nein, weiß ich nicht. Dann müssten 80 Prozent der Bevölkerung Österreichs Fußprobleme haben, weil die 70 Euro-Sandalen sich halt nur wenige Leute leisten können. "Also meine beiden Kinder hätte ich nie gemeinsam in eine Kindergartengruppe gegeben – das stört die Entwicklung nämlich nachhaltig." Ich finde es ok, sie entwickeln sich prächtig. "Übrigens, diese Schwimmlehrerin, die ist so ruppig, gib ihn da ja nicht dorthin." Der Kurs ist gebucht, die 80 Euro sind bezahlt – er muss da durch, und ich auch.

Sie sagen auch Sätze wie: "Pass bloß auf, beim Wechsel in die dritte Klasse dürft ihr ja nicht Klassenlehrerin XY bekommen – die macht den Stoff gar nicht gut." Was soll ich tun? Verlangen, dass sie rausgeworfen wird? "Ich hab so schlechte Erfahrungen mit dem neuen Zahnarzt gemacht, der war so ruppig zu meiner Kleinen, zu dem gehst du doch auch nicht mehr, oder?" Doch, ich vertraue ihm, ich mag ihn. Er war zu meiner Tochter sehr nett und hat ihr alles gut erklärt. "Naja, muss ja jeder selber wissen." Ja, ich weiß es selber, obwohl du mir so ein schlechtes Gewissen machst. "Bist du sicher, dass die HBLA das Beste ist für den Lukas – ich meine, da kriegt er ja nie einen Job!" Ähm – wie bitte?

Bevormunde mich nicht. Bitte, danke!

Jede Mutter und jeder Vater müssen für sich und ihre Kinder einen eigenen Weg finden. Einen, der sich für sie, für ihre Lebensumstände und für ihre Kinder richtig anfühlt. Wie dieser Weg ist, das sollten wir anderen uns grundsätzlich nicht anmaßen zu beurteilen, Verdacht auf Missbrauch und Misshandlung selbstredend ausgenommen. Aber was treibt uns dazu, nur, weil etwas für uns funktioniert hat, es anderen unbedingt einreden zu wollen? Das ist unfair und das ist echt nervig. Wenn ich was wissen will, dann frag ich. Ansonsten: Bevormundet mich und meine Kinder bitte nicht. Danke! (Sanna Weisz, 8.1.2017)