Innenminister Sobotka hat Pläne.

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Wien – Seine Vorgänger haben schusssichere Fenster einsetzen lassen, sagt Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), als eine Sturmböe im Hof des Innenministeriums in der Wiener Herrengasse rumort. "Sie sind zwar kugelsicher, aber der Wind drückt sie auf", scherzt Sobotka vor versammelten Journalisten, nur um Sekunden später wieder in den gewollt seriösen Ton zu wechseln: "Nein, auch der Wind drückt sie nicht auf."

Das Hintergrundgespräch war angezeigt, um Rückblick auf das vergangene Jahr zu halten und eine Vorschau auf die geplante Arbeit des Innenministeriums im neuen Jahr zu geben. Geworden ist es ein Plädoyer für mehr Überwachung und eine Bündelung der Überwachungsmaßnahmen, und der Anlass ist klar: Kriminalität und Terror. Delikte wie der Tritt gegen eine Frau in einer Berliner U-Bahn-Station oder unterlassene Hilfeleistung im Fall eines in einer Essener Bankfiliale gestürzten 82-Jährigen rechtfertigen laut Sobotka auch in Österreich "in allen Fragen", und diesen Satzteil wiederholt der Innenminister stark betont, "in allen Fragen eine lückenlose Überwachung".

Digitale Augen und Ohren aufsperren

So will Sobotka den Aufenthaltsort Verdächtiger mit Fußfesseln verfolgen, auch wenn diese "noch nicht in irgendeiner Form mit dem österreichischen Strafgesetz in Konflikt gekommen sind". Vorgesehen ist diese bisher nur als Strafsanktion eingesetzte Maßnahme freilich nicht gegen alle Verdächtigen, sondern vorerst nur gegen "islamistische Gefährder".

Darüber hinaus kündigte Sobotka an, sich für die Ausweitung des "kleinen Lauschangriffs" – also die akustische Überwachung im öffentlichen Raum – auf Mobiltelefone in den Fahrzeugen Verdächtiger einzusetzen: "Wir können derzeit nur eine Peilung setzen, aber nicht die Gespräche überwachen, die im Auto stattfinden."

Der Innenminister will jedoch nicht nur die digitalen Ohren, sondern auch die Augen schärfer auf die Bevölkerung richten. Eine Million Überwachungskameras gebe es schätzungsweise in Österreich, die meisten davon privat, und sie alle nach Vorbild des Vereinigten Königreichs mit zentralem Zugang zu vernetzen und in Serie zu schalten, würde die lückenlose Abbildung von Fluchtwege ermöglichen. Als Teil des Pakets kann sich Sobotka auch die Integration einer ausgebauten Kennzeichenerfassung der Asfinag-Kameras auf Autobahnen vorstellen.

Türsteher und Bankkaufmann mit Irisscanner

Stakkatoartig formulierte der Innenminister in der Folge weitere Überlegungen, manche angedacht, andere schon in Vorbereitung: Anonyme Handywertkarten sollen gänzlich abgeschafft werden, da sie vor allem Kriminellen dienten; er sprach sich für einen neuen Anlauf zur Durchsetzung der als "Bundestrojaner" bekannten Spähsoftware aus, um gegen Schadprogramme, Urheberrechtsverletzungen oder Hasspostings vorzugehen; alle einreisenden EU- und Drittstaatsangehörigen sollen biometrisch erfasst werden, etwa durch Iris- oder Venenscans.

Automatisierte Biometrieerkennung spielt auch eine Rolle bei einem neuen Ausweissystem, das ab Februar umgesetzt werden soll. Jedem (freiwilligen) Bürger wird ein QR-Code zugewiesen, der in Kombination etwa mit einem Iris-Scanner eindeutige Auskunft über die Identität gibt. Gekoppelt an Melde- und Strafregister soll das Polizeikontrollen erleichtern. Auch Banken sollen so in Echtzeit über die Bonität eines potenziellen Kreditnehmers oder Disco-Türsteher über das Alter von Einlasswilligen informiert werden.

Obergrenze nicht erreicht

Höchste Prioritätsstufe werden all diese Vorhaben 2017 aber nicht genießen, so Sobotka, die zentrale Herausforderung bleibe der Themenkomplex Migration und Asyl. 2016 sei die Obergrenze von 37.500 Zulassungen nicht erreicht worden, der Minister nannte die Zahl 36.030. Insgesamt 16.536 Menschen haben im Vorjahr durch Abschiebung oder freiwillige Rückkehr das Land wieder verlassen, pro Kopf sei das "europäische Spitze", sagte Sobotka.

Um künftig noch deutlicher unter der Obergrenze zu bleiben, wünscht sich Sobotka unbegrenzte Schubhaft für straffällig gewordene und gleichzeitig negativ beschiedene Asylwerber, bis die Herkunftsstaaten bereit zur Rücknahme sind; die Aberkennung des Rechtstitels bei straffälligen Asylberechtigten; die bessere Sicherung der EU-Außengrenze mit Registrierung schon in den Herkunftsländern; und die Beteiligung an einer neu zu gründenden EU-weiten Rückführungsagentur. (Michael Matzenberger, 4.1.2017)