Wien – Wie man glücklich wird, wissen Kühlschrankmagneten genau. "Sei du selbst!", sagen sie, und: "Lebe im Augenblick!" Nur sind solche Weisheiten halt leichter auf den Kühlschrank gepickt respektive auf Facebook geteilt denn in die Praxis umgesetzt. Letztlich ist der Weg zum Glück eben doch jedes Menschen eigener Kaffee. Wobei dies auch bloß eine weitere Plattitüde sein könnte.

"Dieser Film wird Sie nicht glücklich machen", heißt es am Anfang von Stefan Sagmeisters "The Happy Film". Das kann man aber ebenso in Zweifel ziehen wie die Behauptung, dass dieses Kartenhaus von ganz allein stehe.
Foto: Polyfilm

Lassen wir das abstrakte Philosophieren, werden wir konkret. Wie der Grafikdesign-Superstar Stefan Sagmeister (geboren 1962 in Bregenz), der nun einen Kinofilm übers Glück vorgelegt hat, The Happy Film. Wie die Allgemeinheit glücklich werden könnte, erfährt man darin nur mittelbar. In erster Linie schaut man Herrn Sagmeister zu, wie er sein persönliches Glück sucht.

Die streng subjektive Dokumentation, Protokoll jener langjährigen Recherche, der auch die Ausstellung The Happy Show (u. a. 2015 im Wiener Mak) entsprang, lässt sich als Beitrag zur Post-Glücksratgeber-Ära sehen. Der Versuchsaufbau: Sagmeister erprobt an sich selbst drei recht handfeste Glücksstrategien, die einem Buch des US-Psychologen Jonathan Haidt entnommen sind – Meditation, Kognitionstherapie und "drugs", also Medikamente-Schrägstrich-Drogen.

Natürlich kam es, wie es kommen muss, wenn man sich mit dem Glück anlegt, nämlich anders als gedacht. Aus geplanten 18 Drehmonaten wurden sieben Jahre, in denen sich erwies – Achtung, Spoiler! –, dass das Vogerl sich doch nicht so leicht festnageln lässt. Und dass der Weg das Ziel sein könnte – auch so etwas, was einem der Kühlschrankmagnet immer schon gesagt hat.

kinofilme

Im Happy Film dauert dieser Weg rund 90 kurzweilige Minuten und führt quer über den Globus. Es geht an Meditationsstätten, in Arztpraxen, zu Vorträgen Sagmeisters und in Hotelzimmer. Vor seinen Beratern, aber auch in Video-Selfies bespiegelt Sagmeister sein Inneres, wobei seine in charmantem Österreich-Englisch gehaltenen O-Töne stets so klingen, als ob sie im Moment ersonnen wären. Er sagt eingangs, dass er sich "leer" fühle, und gibt späterhin Einblicke in eine Glückstabelle, in der er sein Leben protokolliert. Er überrascht, wenn er sagt, dass es ihn Überwindung koste, einen Taxifahrer zu bitten, das zu laute Radio leise zu drehen. Tatsächlich entfaltet sich bald ein Bekenntnisfilm.

Dessen Haupttriebfeder ist – wer sonst – die Liebe. Frauen, gleich eine pro Kapitel, sorgen bei aller bildlichen Entschleunigung für ziemliche emotionale Dynamik, lassen das Experiment aus den Fugen geraten. Sagmeister, der seine Recherche nach dem Ende einer elfjährigen Beziehung begann, legt nämlich auch eine ungemeine Entflammbarkeit des Herzens offen. Aus selbiger heraus macht er einer deutschen Journalistin gar nach nur zehn Tagen einen Heiratsantrag.

Ungünstiger für den Helden denn für die Erzählung ist dabei, dass Sagmeister zu ebendiesem Zeitpunkt ein stimmungsaufhellendes Medikament einnimmt und daher nicht sicher sein kann, ob "er selbst" es ist, der sich so heftig verliebte. Es sind derlei Episoden, um die herum der Film insbesondere auch die Frage partnerschaftliches versus leidenschaftliches Liebesglück aufgreift.

Geglücktes Wagnis

So. Nun ist The Happy Film trotz seines menschenverbindenden Themas natürlich auch ein Wagnis: Sagmeister ist nicht gerade eine durchschnittliche Identifikationsfigur. Seine Glückssuche, angesiedelt im Nachfeld von Erfolgen als Designer legendärer Plattencover, spielt sich auf denkbar hohem Niveau ab, unter schönen Menschen und in schönen Wohnungen. Ja, man mag ihm vorwerfen, "first world problems" ins Kino zu holen.

Dass das Wagnis dennoch glückt, liegt daran, dass es dem Film tatsächlich gelingt, hinter aller Hochglanzästhetik den Menschen Sagmeister sichtbar zu machen, der ein ungemeiner Sympathieträger ist. Und wenn dieser auch aus seiner Haut als Meister der visuellen Kommunikation nicht herauskann, so spricht er seine Sprache des Designs, der "Schönheit", jedenfalls zu einem humanistischen Ende. Es gereicht dem Film in dieser Hinsicht zum Vorteil, dass er die Kreativindustrie, in Zeiten des immateriellen Kapitalismus freilich ein Brennpunkt von Sinn- und Glücksverwirrungen, sehr freundlich und eher nebenbei thematisiert und stattdessen auf unmittelbar nachvollziehbare Gefühle setzt.

In die Welt der Medienschaffenden führen indes kleine, einfallsreiche Typografievideos, in denen Sagmeister verfilmte, "was er im Leben gelernt hat". Weisheiten wie etwa: "Thinking life will be better in the future is stupid". Es handelt sich um Videos, die auf Facebook wohl unschwer virale Erfolge feiern könnten. Oder anders gesagt, so etwas wie besonders hübsche Kühlschrankmagneten. Danach leben muss man gegebenenfalls halt immer noch selber. (Roman Gerold, 4.1.2017)