Ohne Schulung der Direktoren, nach welchen Kriterien sie ihre Lehrer aussuchen dürfen, aber auch ohne die Möglichkeit, Ungeeignete wieder loszuwerden, ist Personalautonomie in der Schule sinnlos.

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Bernhard Görg hat als Personalmanager über Jahrzehnte Personal rekrutiert und kennt die Tücken dabei.

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Wien – Künftig sollen Direktorinnen und Direktoren ihr Personal für die Schule selbst rekrutieren dürfen, also Lehrerinnen und Lehrer frei auswählen und anstellen. Das ist der Plan der Regierung im Rahmen der Schulautonomie, die ausgebaut werden soll.

Klingt gut, ist aber nicht automatisch auch gut, sagt Bernhard Görg. Der ehemalige Chef der ÖVP Wien war in seinem früheren Beruf im Personalmanagement tätig, vor allem für IBM hat er international Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeheuert.

"Mythos" der Qualitätsverbesserung

Er warnt vor unrealistischen Hoffnungen auf eine wundersame Qualitätssteigerung in den Schulen: "Es ist ein Mythos, dass Eigenverantwortung bei der Personalauswahl zu höherer Qualität führt." Vor allem, wenn, wie im vorgelegten Modell, nur der halbe Schritt gewagt wird.

Denn nur weil sich jemand seine Leute selbst aussuchen kann, wird er oder sie nicht wie von Zauberhand die Besten holen, sagt Görg im STANDARD-Gespräch: "Menschen neigen bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter dazu, den eigenen Komfort und die Bequemlichkeit in den Mittelpunkt zu stellen. Sie suchen also Mitarbeiter, die ihre persönliche Komfortzone nicht stören."

"Pfusch, der nichts bringt"

Und wenn sie das, wie im von der Regierung vorgelegten Modell ohne irgendwelche inhaltliche Vorgaben und ohne jegliche Verantwortung für die freihändig zusammengestellte Lehrertruppe nach Lust und Laune tun können, sei das Modell "nix anderes als Pfusch. So wie es jetzt auf dem Tisch liegt, ist das Stückwerk, das überhaupt nichts bringt", sagt der Ex-Personalmanager.

Grundsätzlich hält Görg den Plan, die Direktorinnen und Direktoren zu stärken, "für politisch-atmosphärisch richtig, aber ohne Konsequenzen, etwa, dass sie sich von ungeeigneten Lehrern wieder trennen können, ist es sinnlos".

Transparenz als Placebo

Die vielgepriesene und geforderte "Transparenz" bei der Lehrerbestellung sei da nicht mehr als ein Placebo für die Öffentlichkeit, kritisiert Görg: "Ich wünsche einem System gutes Gelingen, das zur Bedingung macht, dass die auswählende Führungskraft ihre Entscheidungsgründe dem Kandidaten oder der Öffentlichkeit gegenüber begründen muss. Es ist chancenlos. Gute Personalauswahl und Transparenz schließen sich aus, es sei denn, man stellt die Auswahl auf rein objektive Kriterien ab. Das tun vor allem schwache Führungskräfte, weil sie sich mit ihrer Entscheidung hinter sogenannten objektiven Kriterien wie Noten, Testergebnissen und dergleichen verstecken können." Objektivierbare Kriterien seien zwar als Information "nicht uninteressant, die wirklich entscheidenden Kriterien liegen aber in der Beurteilung des bisherigen Werdegangs und im Persönlichkeitsbereich", erklärt Görg.

Hobbygrafologen und Detektive

Wie geht gute Personalauswahl? "Gute Personalauswahl heißt, möglichst viele Informationen über einen Kandidaten besorgen und bewerten." Und da lauert schon das nächste Problem oder die nächste Leerstelle im Personalautonomieplan der Regierung. Es gibt keine Vorgaben, nach denen die Schulleiter neue Lehrer auswählen dürfen.

Es müsste also unbedingt geregelt werden, welche Informationen gesammelt und verwertet werden dürfen und welche nicht, fordert Görg entsprechende Schulungen. "Das ist im öffentlichen Bereich viel sensibler als bei privaten Unternehmen, die mitunter sogar Detektive auf Bewerber ansetzen. Darf sich ein Schuldirektor als Hobbygrafologe – eine Neigung, die viele Führungskräfte haben – betätigen?"

Guter Lehrer, mag leider keine Kinder

Oder was ist, wenn eine Direktorin oder ein Direktor über einen Jobanwärter von einem Elternverein erfährt, dass er oder sie zwar fachlich gut sei, "sich aber eigentlich nicht für Kinder interessiert. Was tun Sie mit dieser Information in der Kommunikation mit dem abgelehnten Bewerber?"

"Nicht kommunizieren", lautet Görgs Antwort aus der Welt des professionellen Personalrecruitments: "Harte Auswahlkriterien, wie zum Beispiel es waren zehn Jahre Berufserfahrung gefordert, der Bewerber hat aber nur acht, kann man leicht ,transparent' ablehnend kommunizieren. Aber grundsätzlich sollte auch im Schulbereich ein Grundprinzip der Personalauswahl gelten: Bei Negativbescheid wird keine Begründung abgegeben."

Unbequem, aber exzellent

Neben der aus Görgs Sicht praktisch unsinnigen "Transparenz", die nicht dazu führen würde, "die Besten" zu holen, müsste ein Modell, das die Personalauswahl in die Hände der Direktoren legt, auch deren Führungskompetenz entsprechend stärken. Um begründet Personal rekrutieren zu können, müssten diese "trainiert werden, wie man Anforderungsprofile entwickelt, und zwar nicht nur nach fachlichen Kriterien", sagt Görg: "Fachliche Qualität und die Erfüllung von Formalvoraussetzungen reicht einfach nicht für gute Mitarbeiter. Wir wissen, dass exzellente Mitarbeiter selten bequeme Mitarbeiter sind".

Elternverantwortung

Um zu wissen, wen man eigentlich braucht, müsse jede Schule "klare Zielsetzungen fixeren, die regelmäßig von der Aufsichtsbehörde geprüft werden". Außerdem würde Görg eine Form der "Elternverantwortung" etablieren und "alle Lehrer einmal im Jahr von den Eltern beurteilen lassen". (Lisa Nimmervoll, 7.1.2017)