Mario Soares im Oktober 2013.

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Der Vater des modernen Portugals ist tot. Der Gründer der Sozialistischen Partei (PS) und spätere Staatschef Portugals, Mario Soares, verstarb im Rot-Kreuz-Krankenhaus in Lissabon im Alter von 92 Jahren. Seit Weihnachten hatte er im tiefen Koma gelegen. Weitere Angaben über die Krankheit machte die Familie keine.

Soares prägte Portugal nach der Nelkenrevolution am 25. April 1974 – einem Aufstand junger Offiziere gegen die Diktatur – wie kaum ein anderer. Er gehörte mehreren Übergangsregierungen als Außenminister an, um schließlich bei den ersten freien Wahlen 1976 Ministerpräsident zu werden. Er regierte zuerst in Minderheit und dann mit einer Großen Koalition, die schließlich 1985 zerbrach. Nur einen Tag zuvor hatte Soares in aller Eile noch den Beitritt Portugals zur EU unterzeichnet. 1986 bis 1996 war Soares Präsident Portugals. In dieser Zeit wurde der Beitritt zur EU umgesetzt. Von 1999 bis 2004 saß er als Abgeordneter im Europa-Parlament. 2006 unternahm er einen erneuten Versuch, Präsident zu werden, scheiterte aber kläglich.

Kampf gegen Diktatur

Soares gilt als derjenige, der Portugal im Sinne der Europäischen Union (EU) und der Nato stabilisiert hat. Die Verfassung Portugals trägt deutlich die Handschrift der Sozialisten unter Soares. Er verhandelte mit dem Internationalen Währungsfond ein Stabilisierungsprogramm und beendete im Gegenzug die Landreform und andere sozialistische Experimente der von Gewerkschaften und Kommunisten unterstützten Militärs.

Soares wurde am 7. Dezember 1924 in der portugiesischen Hauptstadt geboren. Sein Vater war Priester, Pädagoge und republikanischer Politiker. 1942, als Student der Geschichte und Philosophie – und später dann Jura – wurde der junge Soares gegen die Diktatur aktiv. Er schloss sich an der Universität in Lissabon der Kommunistischen Partei Portugals (PCP) an. In der Vereinigten Demokratischen Jugendbewegung saß er bald im Vorstand. 1949 unterstütze Soares die Kandidatur von General Norton de Matos um das Amt des Staatspräsidenten. 1951 schließlich brach er mit der PCP und schloss sich einem sozialdemokratischen Diskussionskreis an, aus dem schließlich 1973 die Sozialistische Partei Portugals hervorging.

Als Anwalt verteidigte Soares politische Gefangene. Dabei wurde er selbst immer wieder von der Geheimpolizei der Diktatur, der berüchtigten PIDE, verhaftet. Insgesamt verbrachte er fast drei Jahre im Gefängnis. 1968 wurde er mit seiner Frau, der Schauspielerin Maria Barroso, und seinen beiden Kindern auf die westafrikanische Insel São Tomé verbannt. 1970 schließlich ging er bis zur Nelkenrevolution ins Exil nach Frankreich.

Nie ganz aus Politik zurückgezogen

In dieser Zeit lernte er seine einflussreichen Unterstützer, den deutschen Sozialdemokraten Willy Brandt und den Schweden Olof Palme, kennen, die halfen – wie im benachbarten Spanien auch – mit Geldern aus der Friedrich-Ebert-Stiftung die Sozialdemokratie in Portugal aufzubauen, um so die EU- und Nato-Mitgliedschaft der beiden strategisch wichtigen südeuropäischen Länder zu garantieren. Der PS-Gründungsparteitag fand 1973 in Bad Münstereifel bei Bonn statt. Als die die Diktatur 1974 stürzte, befand sich Soares ebenfalls in der alten Bundeshauptstadt, von wo er in aller Eile über Paris zurück nach Lissabon reiste.

Anders als sein spanischer Kollege Felipe González oder der Deutsche Gerhard Schröder und der Brite Tony Blair ging Soares nicht in die Privatwirtschaft. Er zog sich nie ganz aus der Politik zurück. Der Mann, der von sich sagte, er wäre "sicher ein besserer Autor als Politiker gewesen", mischte sich mit Hilfe seiner Stiftung bis zum Schluss in politische Debatten ein. Dabei war er so etwas wie der letzte Sozialdemokrat alter Prägung auf dem Kontinent.

Gegen Austeritätspolitik

Soares war ein strikter Gegner der Austeritätspolitik und kritisierte den Umgang der EU mit Banken und Finanzmärkten scharf. "Die dunklen Machenschaften des Kapitals können zum Verschwinden der Demokratie als solche führen. Die Zerstörung und das Chaos, das die Märkte in diesen Zeiten verursacht haben sind beunruhigend", schrieb er 2011 in einem seiner letzten Werke mit dem Titel "Richtungswechsel". Er forderte eine "Neugründung der Sozialdemokratie". Außer in Portugal selbst, wo sein enger Vertrauter Antonio Costas mit einer Linksregierung gegen Brüssel ankämpft, haben die Genossen in Europa Soares, den sie jetzt nach seinem Tod so loben, nicht zugehört. (Reiner Wandler, 7.1.2016)