Die Ruine einer IBN-Schule in Zaria – zuvor noch eines der wenigen sichtbaren Zeichen der Bewegung im Land.

Foto: Katrin Gänsler

Es ist ein einfaches wie eindringliches Graffito, meist mit roter Farbe an eine Mauer gemalt, das immer wieder im nigerianischen Bundesstaat Kaduna auftaucht. "Free Zakzaky" – "Freiheit für Zakzaky" – kann man darauf lesen. Der Slogan erinnert an eines der schwersten Massaker, die Nigerias Armee in den vergangenen Jahren begangen hat.

Ibrahim Zakzaky, der Anführer der Islamischen Bewegung Nigerias (IBN), sitzt deshalb bereits seit mehr als einem Jahr in Haft. Während der Unruhen, die den Heimatort der Bewegung, Zaria, vom 12. bis zum 14. Dezember 2015 erschütterten, starben außerdem mindestens 347 Anhänger.

Schiitische Minderheit

Abdulhamid Bello kann das bis heute nicht fassen. Er sitzt im kleinen Empfangszimmer seines Hauses in Zaria, das mit drei Sofas vollgestellt ist. Seit der Verhaftung Zakzakys gehört er zu den führenden Köpfen der Bewegung, einer der wenigen schiitischen Gruppierungen in Nigeria, wo die Mehrheit der Muslime Sunniten sind. Schiiten bilden überall in Westafrika eine Minderheit. Vielen sind sie suspekt, mitunter werden ihnen enge Verbindungen in den Iran und Irak nachgesagt.

Bello ist es wichtig zu betonen, dass Nigerias Schiiten friedlich sind und zu Opfern gemacht wurden. Schon im Jahr 2014 gab es zahlreiche Ermordungen. Unter den mindestens 35 Toten waren drei von Zakzakys Kindern. Weltweit Beachtung gefunden haben allerdings erst jene drei Tage, die als Massaker von Zaria bekannt wurden. Bello presst die Fingerkuppen aneinander: "Es gibt mehr als 1000 Menschen, von denen wir nicht wissen, ob sie noch leben, ob sie verhaftet oder in einem Massengrab beerdigt wurden."

Zwei unterschiedliche Geschichten

Und es gibt auch zwei Versionen, weshalb die Situation damals so eskalierte. Laut Militärangaben begann alles mit einer illegalen Straßensperre wegen eines Prozessionszuges. Die Armee twitterte sogar, die Schiiten hätten ihren Armee-Chef Tukur Buratai ermorden wollen, und rechtfertigten so das harte Durchgreifen.

Menschenrechtsorganisationen sehen das anders: Human Rights Watch (HRW) sprach etwa von einer "brutalen Überreaktion". Videos zeigen, dass Soldaten auf Kinder geschossen haben. Die "Waffen", die die Schiiten bei sich trugen, waren laut HRW Steine, Stöcke und in einem Fall auch eine Machete. "Seit unserer Gründung vor 40 Jahren haben wir nie zu Waffen gegriffen", sagt Bello.

Nasir Ahmad El-Rufai, der Gouverneur des Bundesstaates Kaduna, sieht das anders. "Die IBN hat einen militärischen Flügel, der auch trainiert", erklärt er. Deswegen hat er die Bewegung mittlerweile sogar verboten, was auch bei einigen christlichen Predigern und Pastoren auf Kritik stößt.

Keine Registrierung

In der Tat hat sich die IBN stets einer staatlichen Registrierung verweigert, die im Land obligatorisch für NGOs, aber auch für religiöse Einrichtungen ist. Abdulhamid Bello bestätigt das: "Wir sind eine Bewegung. Wie soll man die registrieren lassen." Die IBN betreibe aber eine Stiftung, ein Ausbildungszentrum und eine Schule mit staatlicher Anerkennung, erklärt Bello.

So war es zumindest noch bis November. Die Grund- und Sekundarschule galt als letztes sichtbares Zeichen der Bewegung. Mittlerweile ist nur noch ein Trümmerhaufen da. Bellos Sohn Muhammad zeigt Fotos von der Zerstörung. Es heißt, der IBN hätte das Land nicht gehört. Für die Anhänger ist es das letzte eindeutige Zeichen, dass man der Bewegung den Garaus machen will.

Dennoch hat es seitdem einen kleinen Hoffnungsschimmer für Abdulhamid Bello gegeben. Anfang Dezember ordnete der Oberste Gerichtshof in der Hauptstadt Abuja an, Zakzaky unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen, da diese illegal sei. "Ein bisschen Gerechtigkeit ist das", sagt Bello. Passiert ist seitdem jedoch nichts, Zakzaky bleibt weiter mit mehreren Hundert Schiiten im Gefängnis. Vonseiten der Armee wurde indes bisher niemand zur Verantwortung gezogen. (Katrin Gänsler aus Zaria, 9.1.2017)