Milorad Dodik, Präsident der Republica Srpska, tritt seit Jahren für eine Sezession der RS von Bosnien-Herzegowina ein.

Foto: AFP/Barukcic

Das ganze Land scheint beflaggt. Überall sieht man die rot-blau-weiße panslawische Fahne. Auf einem Auto ist sogar ein Nummernschild in diesen Farben gehalten, darauf ist "9. Jänner" zu lesen. Der 9. Jänner ist dieses Jahr – anlässlich des 25. Jahrestags der Gründung der Republika Srpska (RS) – ein Tag des Trotzes. Denn obwohl der Feiertag als Tag des bosnischen Landesteils RS vom bosnischen Verfassungsgericht untersagt wurde, wird er so groß gefeiert wie noch nie zuvor. Das Verbot des Verfassungsgerichts scheint den nationalistischen Politikern sogar zu nutzen. Denn so können sie das Narrativ vom bedrohten Volk und der bedrohten Republika Srpska aufrechterhalten.

Der Präsident der RS, Milorad Dodik, der seit Jahren für eine Sezession der RS von Bosnien-Herzegowina eintritt, erhebt während der Parade, die durch die Innenstadt von Banja Luka führt, das Wort. Niemals werde man die Identität und den Staat aufgeben, mahnt er. Ohne Staat gäbe es keine Freiheit. Ein Staat ist die Republika Srpska allerdings nicht – sie wurde 1995 im Friedensvertrag als einer von zwei Landesteilen Bosnien-Herzegowinas, sogenannten Entitäten – anerkannt. Im Fernsehen der Republika Srpska RTRS wird die Zeremonie live übertragen.

Last der Geschichte

Zu Mittag stehen entlang der König-Petar-Karađorđević-Straße tausende Schaulustige. Für die Bürger orthodoxen Glaubens ist der "Tag der Republika Srpska" tatsächlich identitätsstiftend – fast jeder hat Verwandte, die im Krieg für die RS gekämpft haben. Zudem wird von Politik und Medien Tag für Tag die Wichtigkeit der RS hervorgehoben. Das hat die Menschen in den vergangenen 25 Jahren geprägt. Die Mehrheit wäre sofort dafür, dass die RS unabhängig wird, würde man eine Abstimmung machen.

Durch Banja Luka defilieren Polizisten, Kriegsveteranen, Postbeamte, Handballer, Boxclub-Vertreter, der Katastrophenschutz, das Rote Kreuz, Folkloregruppen. Studenten tragen eine riesige Flagge der RS. Eine Blasmusikkapelle spielt den Drina-Marsch – ein Lied, das im Ersten Weltkrieg entstanden ist und von einer Schlacht an der Drina, dem bosnisch-serbischen Grenzfluss, handelt, die von der damaligen serbischen Armee 1914 gegen die österreichisch-ungarischen Truppen gewonnen wurde. Die Drina wird von serbischen Nationalisten oft als "Rückgrat" Serbiens bezeichnet – ihr politisches Ziel ist es, dass alle Serben diesseits und jenseits der Drina in einem Staat zusammenleben. Die Idee von Großserbien besteht weiterhin.

Keine westlichen Gäste

Westliche Diplomaten sind zu den Feierlichkeiten nicht gekommen – denn niemand will eine Zeremonie unterstützen, die vom Verfassungsgericht untersagt wurde. Das serbische Mitglied des dreiköpfigen Staatspräsidiums, Mladen Ivanić, ein moderater und rationaler Politiker, nimmt eine Ehrengarde der Dritten Infanterie der Armee Bosnien-Herzegowinas ab. Die Soldaten tragen Abzeichen der bosnischen Armee – an der Parade haben sie allerdings nicht teilgenommen. Ivanić versucht einen Spagat zu machen und Loyalität zur RS, aber auch zum bosnischen Staat zu bekunden.

Im RTRS-Fernsehen werden nach der offiziellen Parade Filme und Bilder über den Krieg gezeigt. Eine kritische Reflexion der damaligen Zeit ist hier nicht zu sehen. Im Gegenteil: Die drei verurteilten Kriegsverbrecher Momčilo Krajišnik, Biljana Plavšić und Radovan Karadžić werden als Gründer der RS hervorgehoben. Sie wurden sogar kürzlich vom Parlament der RS geehrt.

9. Jänner 1992

Die erste Sitzung der Republika Srpska fand am 9. Jänner 1992 im Hotel Holiday Inn in Sarajevo statt. Damals wurde beschlossen, die Republik des Serbischen Volkes von Bosnien-Herzegowina zu gründen. Damit wollte man eine territoriale Abgrenzung einer "Volksgruppe" erreichen. Der Hintergrund: Während die meisten Bosnier mit muslimischen oder neutralen Namen nicht mehr Teil von Jugoslawien sein wollten und für einen eigenen Staat Bosnien-Herzegowina eintraten, wollten viele Bürger mit orthodoxen Namen entweder den Weiterbestand Jugoslawiens oder aber einen Anschluss an Serbien. Sie hatten Sorge, von einer muslimischen Mehrheit dominiert zu werden.

In der Gründung der RS war allerdings bereits die Idee der Diskriminierung der anderen, also der Nichtserben enthalten.

Im Friedensabkommen von Dayton wurden die Kroaten und die Bosniaken auch in der RS als staatsbildende Völker anerkannt – sie sind also keine Minderheiten. Der 9. Jänner ist allerdings für sie kein Feiertag, weil er mit keinerlei guten Erinnerungen verbunden wird. In den Jahren 1992 bis 1995 wurden im Krieg tausende Menschen mit nichtserbischen Namen aus dem Gebiet der RS vertrieben oder ermordet. Der serbische Premier Aleksandar Vučić ist diesmal nicht nach Banja Luka gekommen – er war auch gegen das Referendum am 25. September, das Dodik abhalten ließ, um das Weiterbestehen des Feiertags vom Volk absegnen zu lassen. Vučić hat allerdings eine Grußbotschaft geschickt, in der er der Republika Srpska immerwährende Unterstützung zusagt. (Adelheid Wölfl, 9.1.2017)