Am Schurz soll man ihn erkennen: "Freimaurer mit Mops", Modell, um 1743, aus der Meissener Porzellanmanufaktur.

Foto: Caroline Heider / Albertina Wien

Heinz Sichrovsky (Hrsg.)
Als ich König war und Maurer

Freimaurerdichtung aus vier Jahrhunderten. Eine Anthologie mit 90 Porträts von Oskar Stocker
Studien-Verlag 2016
608 Seiten, 29,90 Euro

cover: Studien Verlag

Wien – Die Geheimniskrämerei, die das Vereinsleben der Freimaurer umgibt, ist kein reiner Selbstzweck. Seit Gründung der britischen Großloge 1717 haben geistliche wie weltliche Mächte die Bauhütten daran zu hindern versucht, den "Tempel der allgemeinen Menschenliebe" zu errichten. Häufig genug mit gewaltsamen Mitteln.

Gerade in einem katholisch dominierten Vielvölkerreich wie der Habsburgermonarchie wurde die Ambivalenz gegenüber der Freimaurerei nur allzu deutlich. Reformer wie Joseph II. standen dem humanistischen Gedankengut der "Bruderkette" nahe. Erzreaktionäre wie Franz II. behalfen sich hingegen mit Verboten. Die Freimaurerei selbst zerfällt in Organisationen und Hochgradsysteme, die miteinander konkurrieren.

Es ist heute ein Leichtes, sich über Wesen und Geschichte der masonischen Tugendlehre und ihr rituelles Brimborium zu informieren. In Österreich existieren gegenwärtig rund 70 Logen à 40 Mitglieder, die ungestört der "Arbeit am rauen Stein" frönen, kurz gesagt: der Veredelung des Menschen durch sich selbst. Es bedarf aber vielleicht tatsächlich eines Buches wie Als ich König war und Maurer, um die Widersprüchlichkeit eines Geheimbundes zu kennzeichnen, der das Licht der Aufklärung vertritt. Denn nach wie vor halten sich die Brüder gegenüber der Neugier Unberufener eigentümlich bedeckt.

Der aus News und Fernsehen bekannte Journalist Heinz Sichrovsky hat jetzt ausgerechnet die schöpferischsten unter den Brüdern, zumeist posthum, vor den Vorhang gebeten. Wer tot ist, muss auch nicht mehr "gedeckt", also in den Augen der profanen Mitwelt als Maurer unerkannt bleiben.

Herausgekommen ist eine dickleibige, vor masonischem Wissen nur so strotzende Anthologie von Gelegenheitsdichtungen. In dieser sind Kettensprüche enthalten, Lieder, Toasts, an der "Weißen Tafel" auszubringen – dann, wenn nach Absolvierung der rituellen Arbeit die Brüder beim Liebesmahle vereint zusammensitzen.

Allerlei Symboliken

Wer da immer meinte, in der Obhut der Logentempel würde teuflischen Praktiken gehuldigt, dem wird das Geschenk heilsamer Ernüchterung zuteil. Von Liebreiz gekennzeichnet sind Gedichte von Matthias Claudius und Goethe. Sie bewähren sich auch dann als poetische Erzeugnisse, wenn man die in ihnen enthaltene Mythologie nicht unbedingt freimaurerisch entschlüsselt.

Die Todes- und Auferstehungssymbolik, die den Meistergrad beschreibt, darf getrost als allgemeingültig angesehen werden, auch wenn man Prägungen wie den "ewigen Osten" nicht sofort als Synonym für das Jenseits auffasst. Prosaischer wird die Angelegenheit in den zahllosen Gelegenheitswerken der "poetae minores" – also solcher Brüder, die sich als Büttenredner im Glanz der drei Lichter versuchten. Weisheit, Stärke, Schönheit: Aus der zu nichts verpflichtenden Allgemeinheit solcher Begriffe lassen sich Verse von niederschmetternder Sprödheit schmieden.

Aus den genannten Gründen wird man sich Brüder wie Blumauer, Alxinger oder Ziegenhagen nicht unbedingt als Titanen der Dichtkunst einprägen müssen. Schillers Ode an die Freude war immerhin ein Auftragswerk, als Trinklied für die Weiße Tafel gedacht. Schiller selbst konnte sich übrigens zu keinem Logenbeitritt durchringen.

Natürlich werden mit Beiträgen etwa von Giosuè Carducci oder Kurt Tucholsky auch die Gefilde fortschrittlicher Politik gestreift. Immerhin wird von Ersterem das Wirken Luzifers als segensreich eingestuft. Und weil mit den Frauen die Hälfte der Menschheit vom Logenleben ausgeschlossen bleibt, sind es häufig die Brüder selbst, die Toasts im Namen der holden Weiblichkeit ausbringen.

Famose Gedichte von Rudyard Kipling oder Michael Guttenbrunner befreien das Kompendium auch für profan gesonnene Leser vom Ruch des Kuriosen. Ein übersichtliches Glossar ersetzt Interessierten das Wälzen dicker Lexika. 124 Texte von 90 Autoren aus vier Jahrhunderten und vier Kontinenten vermitteln die etwas andere Art, die Geschichte der Aufklärung zu rekapitulieren. (Ronald Pohl, 10.1.2017)