Die Panik vor einer tödlichen Meningitis-Infektion in Italien hat ein Gesicht: jenes von Flavia Roncalli, einer 24-jährigen Chemiestudentin in Mailand. Sie war am 30. November wenige Stunden nach ihrer Einlieferung in die Notaufnahme an einer akuten, bakteriell verursachten Hirnhautentzündung gestorben – nachdem eine gleichaltrige Kommilitonin aus der gleichen Fakultät schon vier Monate zuvor vom gleichen Erreger dahingerafft worden war. Flavias Tod hat Italien berührt und beunruhigt – das Bild der jungen Frau prangte in den ersten Dezembertagen auf den Titelseiten aller italienischen Zeitungen.

Seither berichten die Medien mehr oder weniger täglich über neue Meningitis-Erkrankungen im ganzen Land – obwohl 98 Prozent der Fälle glimpflich enden. Die Berichte haben nun eine regelrechte Massenhysterie ausgelöst: Seit etwa zwei Wochen rennen jeden Tag tausende Italiener in Arztpraxen, staatliche Ambulatorien und Apotheken, um sich gegen Hirnhautentzündung impfen zu lassen. Und weil in den vergangenen Tagen in einzelnen Praxen vorübergehend die Impfstoffe ausgegangen waren, gesellte sich zur Angst vor einer Erkrankung auch noch die Panik, sich vor der tödlichen Gefahr womöglich nicht mehr schützen zu können – was den Run auf die Impfung noch weiter verschärfte.

Ministerium will beruhigen

Am Donnerstag versuchte das Gesundheitsministerium, die verängstigten Bürgerinnen und Bürger zu beruhigen: "Es gibt keinen einzigen Hinweis auf einen sanitären Notstand auf nationaler Ebene", hieß es in einem Rundschreiben der Behörde. Ebenso wenig bestehe die Gefahr, dass der Impfstoff ausgehe.

Gefährlich sei in erster Linie die vom Erreger Meningokokken-Serotyp C verursachte Hirnhautentzündung (an welcher auch Flavia Roncalli und ihre Studienkollegin gestorben sind), doch selbst bei diesem Typ lägen die Erkrankungen im üblichen, sporadischen Rahmen – insgesamt 187 Fälle im gerade abgelaufenen Jahr. Mit landesweit weniger als 20 Todesfällen – dem jüngsten am vergangenen Wochenende – sei keine Häufung gegenüber dem jährlichen Durchschnitt festzustellen.

"Es gibt keinen Grund, jetzt zum Arzt zu rennen, schon gar nicht für gesunde Erwachsene", betonte auch der Präsident des nationalen Sanitätsinstituts, Walter Ricciardi. Viel wichtiger sei es, bereits bei Klein- und Schulkindern für den nötigen Impfschutz zu sorgen oder sich als älterer Erwachsener gegen die Grippe impfen zu lassen, die in Italien jedes Jahr über 7000 Todesfälle verursache. "Es ist doch irrational, dass sich nun massenhaft Senioren gegen Hirnhautentzündung impfen lassen wollen, welche die von den Behörden dringend empfohlene Grippeimpfung aus ,prinzipiellen Gründen' ablehnen", sagte Ricciardi.

Tatsächlich glauben auch in Italien immer mehr Leute an alle möglichen Schauermärchen, die sie in esoterisch angehauchten Internetforen oder sozialen Medien lesen – etwa an die längst widerlegten Behauptungen, dass Impfungen gegen Kinderkrankheiten zu Autismus führen könnten oder das eigene Immunsystem schwächten.

Immer weniger Impfungen

Der Prozentsatz der italienischen Eltern, die ihre Kinder impfen lassen, ist bereits auf alarmierende Weise gesunken; Gesundheitsexperten warnen davor, dass Krankheiten, die dank jahrzehntelanger Impfkampagnen praktisch ausgerottet werden konnten, in Form von tödlichen Epidemien zurückkehren könnten. (Dominik Straub aus Rom, 9.1.2017)