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Die britische Regierungsbürokratie und damit auch jene in der Downing Street 10 hat einige Schwächen.

Foto: REUTERS/Toby Melville

Bei Historikern genießt die englische Verwaltung einen glänzenden Ruf. Schon im Mittelalter wurden am Königshof penible Aufzeichnungen geführt, die vielfältige Rückschlüsse auf das Leben von Monarchen und Untertanen zulassen. Bis heute gilt die Regierungsbürokratie als hervorragend organisiert und Hort von talentierten, gut ausgebildeten Leuten.

Mein Freund Wolfgang ist da ein wenig skeptisch. Vielleicht liegt es daran, dass er an leitender Stelle in der Verwaltung tätig ist und deren Schwachstellen kennt. Dazu gehört die institutionelle Vergesslichkeit. Zukünftige Historiker würden am Ablagesystem zu Beginn des 21. Jahrhunderts verzweifeln, glaubt er: "Es gibt keine Akten, nur elektronische Ablage, und die führt jeder, wie er will."

Die im deutschsprachigen Raum allgegenwärtigen Aktenzeichen benutzen die Londoner Ministerialbürokraten nicht. So hat in manchen Ministerien eine Umstellung der Datenverarbeitung dazu geführt, dass Kenntnis von Vorgängen vor 2014 nur diejenigen haben, die damals schon dem Haus angehörten. Da in den letzten Jahren aber stark Personal abgebaut wurde, zudem ein dauernder Postenwechsel als modern gilt, steht das vielgerühmte "knowledge management" nur auf dem Papier.

Qualifikation nebensächlich

Apropos Posten – arbeitsrechtliche Tabus sind auch nicht gerade effizienzfördernd. So gilt eine bestimmte Qualifikation für bestimmte Stellen als eher nebensächlich. Also arbeitet eine Historikerin in der Bankenabteilung des Finanzressorts, während ein Volkswirt im Kulturministerium die Verbindung zu Theatern und Opernhäusern hält. Neulich wollte Wolfgang einem Jobbewerber die eigentlich naheliegende Frage stellen, warum ein Mann mit seinem Lebenslauf denn ausgerechnet diese Stelle haben wolle. Da wäre die Frau aus der Personalabteilung fast in Ohnmacht gefallen: So etwas dürfe man keinesfalls fragen. Hauptsache, der Bewerber könne irgendeinen Abschluss vorweisen und flotte Aufsätze schreiben.

So arbeitet der Mann jetzt auch, findet Wolfgang. (Sebastian Borger aus London, 9.1.2017)