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Mitarbeiter der brasilianischen Umweltbehörde Ibama bei einer Aktion gegen illegale Abholzung des Regenwaldes im Amazonas Ende November des Vorjahres.

Foto: Reuters / Ueslei Marcelino

Als Jair Schmitt von Brasiliens Umweltbehörde Ibama die Satellitenbilder zur Überwachung der Amazonasregion ansieht, bemerkt er Ungewöhnliches. Im Distrikt Altamira, im Norden des Bundesstaats Pará, gibt es Hinweise auf eine Vielzahl von kleineren Flächen, auf denen offensichtlich illegale Holzfäller am Werk waren. Doch die Indizien auf den aus rund 700 Kilometern Höhe aufgenommenen Bildern sind nicht eindeutig. So sind die sonst üblichen Rauchwolken nach der Brandrodung nicht zu erkennen. Auch liegen die abgeholzten Flächen auf dem Territorium der Ureinwohner der Kayapó ungewöhnlich weit auseinander.

Zunächst kam der Verdacht auf, die Indianer hätten selbst etwas mit der Abholzung zu tun, erinnert sich Schmitt an die rätselhaften Bilder vor zwei Jahren. Doch diese Annahme wurde schnell verworfen. "Die Indianer haben eine wichtige Aufgabe beim Schutz des Regenwaldes. Sie würden nicht ihre eigene Existenzgrundlage vernichten", sagt Schmitt, Leiter der Abteilung Umweltüberwachung bei Ibama.

Indigene verteidigen ihren Wald

Zur gleichen Zeit macht sich eine Abordnung der Kayapó auf den Weg in die Hauptstadt Brasília zur Ibama-Zentrale. Die Ureinwohner sind wütend, denn sie hatten zahlreiche abgeholzte Flächen großen Ausmaßes auf ihrem Territorium entdeckt und den Funk der Holzfäller abgehört. Bei den Behörden in Altamira hatten sie dies angezeigt, man schenkte ihnen aber keinen Glauben.

Danach begann eine der umfangreichsten Untersuchungen von Ibama, der Staatsanwaltschaft und der Bundespolizei in der Geschichte Brasiliens. Die Kayapó führten die Ermittler nicht nur zu den abgeholzten Flächen, sondern auch zu den Camps der Holzfäller. Ein Name wurde immer wieder genannt: Antônio José Junqueira Vilela Filho oder A. J. Vilela.

Für die Ermittler ist der Spross einer Viehzüchterdynastie aus São Paulo kein Unbekannter. Er hatte schon zahlreiche Strafzahlungen wegen Umweltvergehen zugestellt bekommen. Auch gegen seinen Vater habe es Ermittlungen wegen illegaler Abholzung gegeben, so der zuständige Staatsanwalt in Altamira, Higor Pessoa. Doch der sei immer einer Haftstrafe entgangen. Innerhalb von zwei Jahren machten die Ermittler ein hochkriminelles, bestens organisiertes Netzwerk aus, in das nicht nur die Familie Vilela, sondern auch weitere dutzende Personen involviert waren.

Vorwurf der Sklavenarbeit

Gegen A. J. Vilela beantragt die Staatsanwaltschaft 238 Jahre Haft. Ihm werden illegale Abholzung, Bildung einer kriminellen Vereinigung, Betrug in großem Ausmaß, Dokumentenfälschung, Sklavenarbeit und vieles mehr vorgeworfen. "Er ist verantwortlich für die größte illegale Abholzung in Brasilien, die wir bisher ausmachen konnten", sagt Pessoa. Vilelas Motorsägen sollen eine Fläche von rund 330 Quadratkilometern zerstört haben. Umgerechnet rund 560 Millionen Euro Gewinn machte das Kartell zwischen 2012 und 2015. Mit ihm sind noch weitere 24 Personen angeklagt, darunter seine Schwester, die aus den USA das Kartell mitlenkte.

Vilela arbeitete nach einem Schema, mit dem er der Überwachung der Satelliten entgehen konnte. Mittelsmänner stellten immer einen Trupp von zehn Holzfällern zusammen, die hundert Tage ohne Unterbrechung im Regenwald arbeiten mussten. Erst danach gab es für die meist armen Landarbeiter aus der Umgebung ihren Lohn – wenn sie entdeckt wurden, bekamen sie nichts.

Die Flächen wurden in Rekordgeschwindigkeit abgeholzt und das Unterholz abgebrannt. Die Holzfäller ließen große Bäume stehen, um den Rauch weniger sichtbar zu machen. Am Ende überflogen Flugzeuge das Gelände und warfen Grassamen ab. Schon wenige Wochen später wurden Rinder auf die Weiden gestellt. "Das Überraschendste war, dass Vilela hochspezialisierte Techniker anheuern konnte, die – wie auch Ibama – die Satellitenbilder beobachteten", sagt Schmitt. Wenn etwas Auffälliges erkennbar war, schickte Vilela Flugzeuge, um die Brandherde aus der Luft zu löschen.

Falsche Gebäude als Tarnung

Um das Rindfleisch "legal" verkaufen zu können, ließ Vilela fingierte Landwirtschaftsbetriebe, Fazendas, mit provisorischen Gebäuden errichten. Diese wurden auf den Namen von Mittelsmännern eintragen und die Herkunftsdokumente der Rinder gefälscht. In einer Operation am 30. Juni vergangenen Jahres, die zeitgleich in Fleischbetrieben und Büros in den Bundesstaaten São Paulo, Mato Grosso, Mato Grosso do Sul und Santa Catarina stattfand, konnten die Ermittler das System endgültig aufdecken. Vilela hatte seine Rinder an die größten Fleischhändler Brasiliens verkauft. Involviert sind auch Unternehmen des Landwirtschaftsministers Blairo Maggi und seiner Familie, die zu den reichsten Agrarunternehmern Brasiliens gehören. (Susann Kreutzmann aus Santarém, 12.1.2017)