
Der Tod kennt viele Gesichter. Im Falle des heimischen Thrillerautors Bernhard Aichner ist er eine Sie und heißt Brünhilde Blum. Die "Totenfrau"-Trilogie ist nun mit dem Band "Totenrausch" beendet.
Wien – Wer eine Trilogie ankündigt, plant diese meistens über drei Teile. Danach ist Schluss. Aber fix. Puh, welche Last das am Ende war. Wer zum Beispiel nicht wie Georges Simenon den Maigret hat, der in all seinen Romanen nicht genug sagt, dass er sich frühzeitig kaputtlabern könnte, sondern wem zum Beispiel nur der tödlich kultivierte Commissario Brunetti oder der Gute-Laune-Killer Wallander zur Verfügung stehen, der wird sich schon bald ordentlich bei einem abmurksen: dem Versuch, die Leser bei der Stange zu halten. Darum lieber ein Ende mit Schrecken schreiben (in diesem Fall: Happy End!) und die Kiste einsargen. Der Autor kann sich nun neuen Themen zuwenden (die Autorin natürlich auch).
Da sich in unserer Hektomatikwelt leider immer nur alles um das Geld dreht, wird allerdings der Verlag nach einem Lyrikband zum Thema Blutsuppe und einem nicht so gut verkauften experimentellen Thriller, der in der Nacktamöbenszene spielt, dem Autor mit einem Zaunpfahl winken. Auf dem steht das Wort Vertragsverlängerung mit Fragezeichen. Flugs spürt der ehemalige Erfolgsautor in sich eine Inspiration reifen. Die Geschichte der Trilogie ist eigentlich noch gar nicht zu Ende erzählt! Immerhin waren bei Lesetourneen früher die Hotels besser und auf der Buchmesse in Villingen-Schwenningen die Presseanfragen zahlreicher.
Den Leser bei ...
Totenfrau, Totenhaus, Totenrausch. Bevor der Innsbrucker Thrillerautor und ehemalige Leichenbestatter Bernhard Aichner also in ein paar Jahren mit Totentag, Totenwache oder Totempfahl zu seiner Heldin Brünhilde Blum zurückkehrt, macht er, das ist jetzt ein klein wenig gespoilert, vor der Küste Dugi Otoks vorläufig Schluss – mit dem Totenrausch.
Brünhilde Blum, originell benamste Leichenbestatterin aus Innsbruck, hat einst hier in Kroatien als Totenfrau auf sehr sympathische Art ihre bösen Adoptiveltern ermordet, es aber nach Unfall aussehen lassen. Ein Kommissar glaubte ihr das nicht und ermittelte. Damit das jetzt nicht zu lange dauert: Schließlich heirateten die beiden, weil sie in Liebe fielen und sich irgendwie auch zu alt fühlten, um dauernd offene Fragen im Raum stehenzulassen. Der Inspektor ermittelte aber nach den völlig gewaltfreien Flitterwochen leider auch bei wirklich bösen Leuten. Die hielten im Keller Sklaven, folterten und töteten sie. Der lästige Kommissar wurde wegen seiner schon wieder offenen Fragen umgebracht. Brünhilde rächte sich mit Mehrfachmord im gehetzten Modus einfacher Aussagesätze. Tempo? Pageturner.
Die Leichenteile wurden bei ihr im Geschäft sozusagen als Kuckuckseier in schon belegte Särge dazugelegt. Ihr neuer, im Bosnienkrieg hinreichend geschulter Lover Reza half ihr dabei. Leider verbrannte sie die bösen Leute nicht immer spurlos im Krematorium. Die Sache flog blöderweise mit einem exhumierten Erdmöbel auf. Brünhilde Blum musste mit ihren zwei Kindern Uma und Nela (diese Namen!) flüchten, flüchten, flüchten, was im zweiten Teil Totenhaus mehrere Leichen im süddeutschen Raum nach sich zog.
In Totenrausch nun lebt Brünhilde Blum mit ihren süßen Kindern in Hamburg, unter neuen Namen. Marie Müller sowie Emma und Katrin (ein Dank an den Autor!) haben sich bei einem Zuhälter namens – Schmäh ohne – Egon Schiele neue Identitäten besorgt. Leider will der Sadist von Marie mehr als Dankbarkeit. Er weiß um ihr Vorleben und fordert für die Reisepässe diverse letale Bluttaten an seinen zahlreichen Feinden und zusätzlich auch noch regelmäßigen Intimverkehr. Völlig überraschend ist unsere Leichenfrau unfassbar attraktiv.
... der Stange halten
Brünhilde soll Feinde von Egons Zumpf, Pardon, Egons Zunft so wie ihren neuen Nachbarn ausschalten, auf den der wirklich unsympathische Lude eifersüchtig ist. Danach will Egon mit Marie gemeinsam in die Kiste. Nein, nicht die. Unsere Heldin will aber nicht so richtig: "Ihr neues Leben war wie ein Auto ohne Benzin am Straßenrand."
Irgendwie sterben die Leute aber dann doch wie die Fliegen. Die Leser. Bei der Stange. Halten. Dazu setzt es vor dem Happy End vor Dugi Otok gestelzte Dialoge, Bullshit-Bingo aus dem Thrillergenre und kultigen verbalen Hausschatz: "So eine Stadt hat viele Augen." Bitte in ein paar Jahren unbedingt die Fortsetzung mit dem Totempfahl! Winnetou I–III wurde übrigens in Kroatien gedreht. Eine Totenfrau-TV-Serie ist in Vorbereitung. Als zweites berufliches Standbein liegen von Aichner bereits vier Bände um den Protagonisten Max Broll vor. Er ist Totengräber. Auch das ist kein Witz. (Christian Schachinger, 12.1.2017)