Geht es nach Bundeskanzler Christian Kern, soll künftig ein Mehrheitswahlrecht die Regierungsbildung erleichtern. In der FH Hagenberg im Mühlviertel skizzierte er am Donnerstag einmal mehr seine Pläne.

Foto: APA/BKA/ALEXANDER SCHWARZL

Bruno Kreisky, der politische Übervater der heimischen Sozialdemokratie, war während seiner Zeit als Kanzler auch Nationalratsabgeordneter. Die österreichische Verfassung lässt es zu, dass ein Regierungsmitglied gleichzeitig Parlamentarier ist. Bis in die Siebzigerjahre war das auch gängige Praxis. Dann – so lautete damals die Begründung – wollte man mehr Jobs für Politiker schaffen. Wer künftig Minister wurde und ein Mandat hatte, legte es zurück. Heute mangelt es weniger an Politjobs, das Problem nach der kommenden Wahl könnte eher werden, Mehrheiten zu finden. Dem will der Kanzler nun mit einem Kniff entgegenwirken.

Christian Kern (SPÖ) denkt nämlich ein Bonus-Mandat für Minister an. Derzeit sitzen im Nationalrat 183 Abgeordnete – diese Mandate würden weiterhin je nach Wahlergebnis unter den Parteien aufgeteilt. Zusätzlich hätte dann jedes Regierungsmitglied eine Stimme – Voraussetzung ist allerdings, dass es auf einer Wahlliste stand, weil ansonsten die Verfassung grundlegend geändert werden müsste.

Mehrheit ohne Mehrheit

Die Idee dahinter: So könnte eine Regierung, die vor der Angelobung keine Mehrheit hat, danach mit den Bonus-Mandaten zu einer Mehrheit kommen. Der Effekt ist davon abhängig, wie viele Minister eine Regierung hat – da die Zahl derzeit variieren kann. "Der Mehrheitsbonus würde sich im einstelligen Prozentbereich bewegen", heißt es im Kanzleramt. Dieses Bonus-Stimmen-Modell könne mit Zweidrittelmehrheit im Nationalrat beschlossen werden, sagt der Verfassungsjurist Theo Öhlinger. "Jedenfalls undenkbar ist, dass ein Minister im Nationalrat mitstimmt, der auf keiner Liste stand, denn dann wäre er ja nie gewählt worden."

"Wenig durchdacht" nennt Daniel Ennöckl, stellvertretender Vorstand des Instituts für Staats- und Verwaltungsrecht in Wien, dieses Vorhaben von Kern: zum einen, weil es wesentliche Aufgabe der Abgeordneten sei, die Minister zu kontrollieren. "Unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung ist dies daher nicht wünschenswert", sagt Ennöckl. Zum anderen werde die Anzahl der Mitglieder der Bundesregierung mit einfachem Bundesgesetz festgelegt. "Wenn jedem Minister eine zusätzliche Stimme im Nationalrat zukommt, könnte man auf diesem Wege etwa Verfassungsmehrheiten herstellen, die keine Grundlage bei den Wahlen hatten", warnt der Jurist. Kern will das lösen, indem er die Zahl der Minister fixiert.

"Ständig Neuwahlen"

Darüber hinaus schwebt dem Kanzler vor, dass eine Regierung spätestens einen Monat nach der Wahl die Arbeit aufnimmt, also eine Koalition gebildet haben muss. "Es ist fraglich, wie sinnvoll das ist", sagt der Innsbrucker Verfassungsjurist Karl Weber. "Wenn das in dieser Zeit nicht machbar ist, drohen ständig Neuwahlen."

Ennöckl sieht generell noch viele offene Fragen: "Derzeit enthält das Bundesverfassungsgesetz den Grundsatz der Homogenität der Wahlgrundsätze. Das bedeutet, dass die Wahlgrundsätze für den Nationalrat auch für die anderen Wahlen zu allgemeinen Vertretungskörpern, also für Landtags- und Gemeinderatswahlen, gelten. Sollen diese nun weiterhin nach dem Verhältniswahlrecht gewählt werden? Oder soll hier dann auch auf das Mehrheitswahlrecht umgestellt werden?"

In der ÖVP ist man jedenfalls begeistert. Man sei "absolut" offen, über die Vorschläge zu reden. "Hurtig ans Werk", sagte Generalsekretär Werner Amon, denn "gegen die Idee eines Mehrheitswahlrechts ist grundsätzlich nichts zu sagen". Doch, findet die Opposition. FPÖ, Neos und Grüne lehnen das Vorhaben ab. (Peter Mayr, Katharina Mittelstaedt, 12.1.2017)