"Ich bin kein Politiker, ich kann nur Grundrisse planen", sagt Van Bo Le-Mentzel über die Wohnungsnot und sein 6,4-Quadratmeter-Objekt.

Foto: Van Bo Le-Mentzel

Die Leute, die bisher in Berlin probewohnten, hätten vor allem mit Schaulustigen zu kämpfen gehabt.

Foto: Van Bo Le-Mentzel

Kann man in einer Wohnung mit 6,4 Quadratmetern leben? Ja, sagt Van Bo Le-Mentzel, deutscher Architekt mit laotischen Wurzeln. In einem Prototyp, den er auf einem Parkplatz in Berlin-Kreuzberg aufgestellt hat, sind Wohnküche, Ofen und sogar ein Büro untergebracht. "Der Trick ist die Raumhöhe von 3,60 Metern", sagt Le-Mentzel im Gespräch mit dem STANDARD. Die Decke des Bades ist zum Beispiel der Boden des Büros (in dem man aber, wohlgemerkt, nicht stehen kann).

Der Architekt hat das Projekt Tiny100 getauft, denn um 100 Euro bekomme man als Mieter in Berlin im Durchschnitt 6,4 Quadratmeter Wohnfläche. Als jemanden, dem es vor allem um Profit geht, darf man sich Le-Mentzel, der vor ein paar Jahren schon mit "Hartz-IV-Möbeln" von sich reden machte, dennoch nicht vorstellen. Im Gegenteil. "Die Preisentwicklung ist in Berlin eine Katastrophe. Die Mieten nähern sich München an, nur dass die Leute in Berlin kein Geld verdienen", beklagt Le-Mentzel. Zugleich sagt er: "Die meisten Journalisten sehen im Tiny100 ein Kunstprojekt, aber ich meine es völlig ernst."

Es gibt sogar ein Gästezimmer, weil man eine Wand rausnehmen und wieder einfügen kann, das funktioniere nach "Harry-Potter-Prinzip", sagt Le-Mentzel. Das Badezimmer habe etwa die Größe einer Toilette in ICE-Zügen und verfüge über ein Fenster.

Wohnhaus mit Kleinstwohnungen

Van Bo Le-Mentzels Ziel ist, einen Wohnbau mit fünf Etagen und mehr als 600 Quadratmetern Geschoßfläche zu verwirklichen. Es soll ein Wohnhaus mit großen, mittelgroßen und eben auch mit 6,4-Quadratmeter-Wohnungen werden. "Man kann in dem Haus ja auch fünf Wohnungen für insgesamt 500 Euro mieten." Wichtig sei ihm dabei, dass jedes Stockwerk einen Gemeinschaftsbereich mit 42 Quadratmetern bekommt.

In Gesprächen über die Errichtung eines solchen Wohnhauses sei er mit der Hilfswerk-Siedlung GmbH, einem evangelischen Wohnungsunternehmen in Berlin. Er kritisiert, dass auch durch gesetzliche Auflagen – etwa für Aufzüge –, die Investitions- und damit die Mietkosten enorm gestiegen seien. Aber er könne keine Gesetze machen, sondern nur Grundrisse. "Ich bin ja kein Bürgermeister oder Minister, ich bin Architekt."

Abenteuer- und Schaulustige

Derzeit mietet den Prototyp in Berlin-Kreuzberg eine wohnungslose Frau. Ein gravierenderes Problem als die Größe sei für die Probewohnenden, dass viele Schaulustige vorbeikommen. Die Leute, die bisher drin gewohnt hätten, seien "erst mal sehr abenteuerlustig gewesen", sagt Le-Mentzel und räumt ein: "Wenn du gezwungen wirst, auf 6,4 Quadratmetern zu wohnen, ist das natürlich eine Folter." Man müsse schon offen dafür sein. (kap, 26.1.2017)