Alma Deutscher

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Jüngst fand im Baumgartner Casino die deutschsprachige Uraufführung von Alma Deutschers Oper "Cinderella" statt. Ich hatte das Privileg, dabei zu sein und die Begeisterung des Publikums hautnah zu erleben. Es gab Standing Ovations für die junge Komponistin, für ihr Werk und für die engagierten Mitwirkenden.

In den darauf folgenden Medienkommentaren dominierte das Staunen über die Begabung der erst elfjährigen Komponistin, die auch als Violinistin und am Klavier hervorragende Figur macht. Auch die Sorge, man möge ihr doch nicht das Kind sein nehmen, wurde häufig angesprochen. Recht selten kam es zu Stellungnahmen betreffend den Charakter der Kompositionen der kleinen Alma. Der Vergleich mit dem kleinen Mozart, der seine erste Oper auch mit elf Jahren aufgeführt sah, wurde erwähnt und zugleich zurückgewiesen (Alma selbst scheint ihn auch nicht sehr zu schätzen). Und gelegentlich wurde die – korrekte – Bemerkung gemacht, Almas Oper sei der klassisch-romantischen Tradition verpflichtet. Woraufhin Kenner einfügten, auch der junge Mozart sei ja nicht aus dem Nichts gekommen, komme von der Mannheimer Schule her et cetera.

Das Gespenst des "Kulturpopulismus"

Der rauschende Erfolg, den das Wunderkind Alma Deutscher derzeit erntet, wird also vorwiegend unter den Gesichtspunkt der kindlichen Hochbegabung erörtert. Es gäbe aber auch einen anderen Zugang. Nehmen wir einmal an, die Oper "Cinderella" wäre nicht von einem elfjährigen Kind geschrieben worden sondern von einem vierzigjährigen Mann, und die Uraufführung fände nicht in einem vorstädtischen Casinosaal statt sondern im einem staatlichen Opernhaus. Käme es zu ähnlichen Jubelstürmen des Publikums? Ich vermute ja. Und würde die Kritik ähnlich freundschaftlich und sympathisierend auftreten? Keineswegs.

Es wäre vielmehr damit zu rechnen, dass Deutschers Werk als "unzeitgemäßer" Kitsch abgetan würde und die darin zum Ausdruck kommende unbefangene Liebe zur Melodie als Dokument musikalischer Minderwertigkeit. Bei allzu großem Publikumserfolg wäre mit bitteren Attacken seitens "avancierter" Kulturtheoretiker zu rechnen, die Subventionshähne würden abgedreht und das Gespenst eines "Kulturpopulismus" heraufbeschworen. Diese Gefahr bedroht auch eine älter gewordene Alma Deutscher, wenn sie bei ihrer Liebe zur Melodie bleibt. Sie wäre dabei aber nicht in schlechter Gesellschaft.

Nicht in schlechter Gesellschaft

Theodor Adorno vermerkte zur Musik Giacomo Puccinis giftig, solche Musik sei "umso schlechter je prätentiöser sie sich gebärde", und ähnliches war auch von Gerard Mortier zu hören, der ja dem Vernehmen nach über die Salzburger Festspiele eine Art Puccini-Bann verhängte. Hobbytenöre können allerdings mit dem "Nessun dorma" in Castingshows immer noch Triumphe feiern, und Welterfolge nach der Art "Time to say good-bye" bekunden das Überleben der opernhaften Gesänge. Vielleicht kann die so oft totgesagte Oper in der Rückwendung zur Melodie neue Lebenskraft gewinnen. Das geniale Kind Alma könnte daran seinen Anteil haben. (Robert Schediwy, 13.1.2017)