Der Publizist Ari Rath starb eine Woche nach seinem 92. Geburtstag in Wien.

Foto: Maria von Usslar

Ari Rath war auch beim Projekt "Die letzten Zeugen" dabei, das Doron Rabinovici und Matthias Hartmann im Jahr 2013 75 Jahre nach dem Novemberpogrom 1938 im Burgtheater realisierten. Im Bild von links: Suzanne-Lucienne Rabinovici, Ari Rath, Vilma Neuwirth, Rudolf Gelbard, Lucia Heilman, Marko Feingold.

Foto: Reinhard Maximilian Werner

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Bei der Eröffnung des Brucknerfests im Herbst 2006 begrüßte Bundespräsident Heinz Fischer den ebenfalls anwesenden Ari Rath.

Foto: EPA/Rubra

"Ich bin ein Fighter, ich mache weiter": Mit diesem Spruch stärkte Ari Rath die Besucherinnen und Besucher, die in den vergangenen Wochen im Wiener AKH an seinem Krankenbett auftauchten. Völlig überraschend waren während eines Israel-Besuchs Herzprobleme aufgetreten, erst die Wiener Ärzte nahmen den Eingriff vor, dann kamen noch Probleme mit der Lunge dazu. Auch als er kaum noch Luft zum Atmen hatte, erkundigte er sich weiter nach politischen Themen: der Kanzlerrede, den Vorwürfen gegen Israels Ministerpräsidenten Netanyahu, den jüngsten Ausfällen Donald Trumps.

Mit 13 von den Nazis aus Wien vertrieben

In diesem Krankenhaus schwebte er schon einmal, 2011 nach einem Blinddarmdurchbruch, zwischen Leben und Tod. Am Ende einer Vortragsreise war er deshalb zu einem längeren Aufenthalt in Wien gezwungen. Er habe sich nie vorstellen können, so lange Zeit in Österreich zu verbringen, sagte er immer wieder.

Wien war die Stadt, aus der er im Alter von 13 Jahren von den Nazis vertrieben worden war. Auf abenteuerlichem Weg gelangte er mit einem Kindertransport auf dem Schiff Galiläa über Triest nach Haifa. Gemeinsam haben sich er und sein älterer Bruder Maximilian bei der Ankunft in Palästina versprochen, nur noch Hebräisch miteinander zu sprechen. Ari Rath lebte 16 Jahre in einem Kibbuz, ab 1946 verbrachte er für die zionistische Jugendbewegung 21 für ihn prägende Monate in den USA.

Ein Teil aus der Interviewreihe "Zeitzeugen".
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Chefredakteur der "Jerusalem Post"

Die für ihn bis dahin unbekannte Sprache Englisch wurde dann zu seinem Berufswerkzeug: 31 Jahre lang arbeitete er als Journalist für die englischsprachige Jerusalem Post, davon 18 Jahre als Chefredakteur und Herausgeber. Er erzählte gerne von seinen journalistischen Coups. So war er als einziger Journalist dabei, als sich der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer und Israels erster Premier David Ben-Gurion 1960 trafen. Für Teddy Kollek hatte er gearbeitet. Yitzhak Rabin, Moshe Dayan, Golda Meir, Shimon Peres, Olof Palme und Bruno Kreisky waren seine regelmäßigen Gesprächspartner.

Dass die Jerusalem Post damals noch liberal war, betonte er bei jeder Gelegenheit. Nicht nur die Entwicklung seiner Zeitung, auch die seines Landes machte ihm Sorgen. In seine Wohnung nach Israel kam er in den vergangenen Jahren aber immer seltener, er bezog eine Bleibe im Seniorenzentrum Maimonides in Wien, wo vor allem sein Schreibtisch vor Papieren und Zeitungsausschnitten stets überquoll.

Sein Verhältnis zu Österreich hat sich nach jenem Krankenhausaufenthalt 2011 sukzessive gewandelt. Ari Rath wollte seinen Beitrag leisten, dass das, was er mitmachen musste, die Erfahrungen des Holocaust, Flucht und Vertreibung, nie wieder geschieht. Deshalb verstand er Ängste und Aversionen gegen Flüchtlinge nicht, die sich nach 2015 auch in Österreich verstärkten.

"Ari heißt Löwe"

Er hielt Vorträge, ging in Schulen, stellte sein Erinnerungsbuch "Ari heißt Löwe" an zahlreichen Orten vor und erzählte gemeinsam mit dem in den USA berühmt gewordenen Regisseur Eric Pleskow in einem Film über das Leben als "Porzellangassenbuben". Ari Rath trat als einer der "letzten Zeugen" auf, jener Burgtheater-Produktion von Doron Rabinovici und Matthias Hartmann, in der sechs Holocaust-Überlebende sehr eindringlich über ihre Erfahrungen berichteten. Es gab auch Auftritte in Deutschland, den USA und Israel.

Er verstand es, seine Zuhörer in den Bann zu ziehen. Bei einem gemeinsamen Besuch in meinem Gymnasium in Rohrbach erzählte Ari Rath, wie gerne er in eine normale Schule gegangen wäre, als er so alt war wie die vor ihm sitzenden Schülerinnen und Schüler. Aber als "Judenbub" sei ihm das 1938 verweigert worden.

92. Geburtstag in Wien

Wie viele Freunde er in Österreich gewonnen hat, konnte man in den vergangenen Wochen an seinem Krankenbett beobachten, einige von ihnen kümmerten sich nicht nur in dieser Zeit intensiv um ihn. Er selbst pflegte aber auch Freundschaften, rief häufig an, schickte zu meist später Stunde E-Mails und freute sich über Verabredungen zum Essen oder zu einem Konzertbesuch, Musik war seine Leidenschaft. Viele fanden sich zu seinem 92. Geburtstag am 6. Jänner ein, auf den er richtig hinfieberte. Dann ließen seine Kräfte merklich nach.

Was ihn aber bis zum Schluss umtrieb, waren die politischen Entwicklungen in Österreich und Israel: der Aufstieg der FPÖ und die Siedlungspolitik in Israel. Seinen größten Wunsch artikulierte er auch in den letzten Wochen immer wieder – wohlwissend, dass sich dieser nicht zu seinen Lebzeiten erfüllen würde: Frieden in seiner Heimat. Einer seiner letzten Anrufe galt seinem besten Freund, einem Palästinenser.

Heimat Israel

Auch wenn er in den vergangenen Jahren seinen persönlichen Frieden gemacht hat durch das, was er "Annäherung" an Österreich nannte, auch wenn er neben der israelischen die österreichische Staatsbürgerschaft 2007 wieder annahm und sich überzeugen ließ, hier auch wählen zu gehen: Als seine Heimat bezeichnete er Israel. Dort will er auch begraben werden. (Alexandra Föderl-Schmid, 13.1.2017)