Familientherapeut, Autor und STANDARD-Kolumnist Jesper Juul.

Foto: family lab

Diese Serie entsteht in Kooperation mit Family Lab Österreich.

Foto: family lab

Frage

Ich habe eine Frage zu einer Familienangelegenheit, die die Großeltern betrifft. Meine Schwiegermutter hat einen Konflikt mit mir als Schwiegertochter. Sie reagiert zum Beispiel nicht auf Geburtstagseinladungen ihrer Enkeltochter (meiner Tochter) sowie auf andere gemeinsame Einladungen. Gemeinsame Treffen lehnt sie generell ab.

Trotzdem zwingt sie dann meinen Mann, am Geburtstag unserer Tochter für zehn Minuten mit ihr vor die Haustür zu gehen, um ein Paket zu übergeben, mit dem Zwang, dass ich nicht mit dabei bin. Ich habe den Eindruck, dass sie meine Tochter für ihren persönlichen Konflikt benutzt, um mich zu verletzen.

Wie soll ich damit umgehen? Ich will nicht, dass meine Tochter darunter leidet!

Antwort

In jedem Leben eines Mannes kommt die Zeit, wo er sich entscheiden muss, wem seine Loyalität (nicht seine Liebe) gilt: Um ein verantwortungsvoller Partner und Vater zu sein, muss er sich für seine Frau einsetzen.

In Ihrem Fall muss Ihr Mann damit aufhören, zu den destruktiven Machtspielen seiner Mutter beizutragen, und sie dazu einladen, sich gemeinsam mit Ihnen und ihm zusammenzusetzen und sich um die Lösung des Konflikts zu bemühen.

Sollte er sich damit nicht einverstanden erklären, verhält er sich unverantwortlich. Denn mit diesem Verhalten beschädigt er seine eigene Familie, seine Beziehung zu Ihnen und der gemeinsamen Tochter.

Es kann sein, dass sie beide bereit sind, mit dieser Situation zu leben. Sagen Sie Ihrem Mann, dass er seine Mutter keine "Konsequenzen" androhen, ihr aber mitteilen soll, dass er nicht mehr als "Postbote" zur Verfügung steht. Denn sollte sie die Einladung zum Gespräch ablehnen, kommt er immer wieder in dieselbe Situation, sobald sie einen neuen Trick versucht.

Sollte Ihr Mann meinem Vorschlag nicht folgen wollen, könnten Sie selbst an die Tür Ihrer Schwiegermutter klopfen und sich, was auch immer das genaue Thema ist, durch Argumente behaupten. Doch das sollten Sie nicht allein tun müssen.

Ihr Mann könnte etwa folgendermaßen zu seiner Mutter mit eigenen Worten sagen: "Der Streit zwischen euch beiden hat einen negativen Einfluss auf uns alle, und ich will, dass das aufhört. Ich möchte, dass ihr beiden, Du und Deine Enkeltochter, euch kennenlernt. Aber ich möchte, dass mein Kind eine Großmutter hat, auf die es stolz sein kann. Ich werde also so lange hier bleiben, bis wir eine Lösung gefunden haben. Du kannst mich gerne um Hilfe bitten, wenn Du das brauchst."

Manche Mütter können ihre erwachsenen Kinder nicht loslassen, andere wieder sind zu träge, um sich selbst zu befreien. In einer Liebesbeziehung gibt es kein "dein Problem" und "mein Problem". Auch wenn der Ursprung des Problems viele Jahre zurückliegt, hat er dennoch Einfluss auf alle mittlerweile involvierten Personen. Jeder von ihnen muss Verantwortung übernehmen. Wenn das gelingt, lösen sich (familien-)historische Probleme. Sollte der Vater Ihres Mannes noch zugegen sein, muss auch er aufwachen und möglicherweise Unpopularität riskieren. (Jesper Juul, 15.1.2017)