Ein Künstlerpinsel

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Eine kunstvoll geschnitzte Bleistiftspitze

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Vanilleschoten im Glas

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Weihnachten ist vorbei. Viele haben ein paar Kilos zugelegt, weil sie sich bei den Vanillekipferln nicht zurückhalten konnten. Andere wiederum hat zu Jahresbeginn das Grippevirus niedergestreckt. Sie mussten das Bett hüten und bekämpften hohes Fieber mit Antibiotika.

Wenn wir heute von "Antibiotikum1" sprechen, so meinen wir den bakterientötenden Wirkstoff, dessen Prototyp untrennbar mit dem schottischen Bakteriologen Alexander Fleming (1881-1955) verknüpft ist. Er erhielt für die bahnbrechende Entdeckung des Penicillin, gewonnen aus dem Pinselschimmel Penicillium chrysogenum (früher Penicillium notatum), den Nobelpreis2.

Dass im Penicillin ein kleiner Penis und auch ein unverzichtbares Malutensil stecken, entspringt keinem wirren Fiebertraum. Schauen wir uns die Sache an!

Sowohl Penicillin als auch die Bezeichnung des Pilzes gehen auf lateinisch pēnicillus "Bürste, Pinsel", eigentlich "Schwänzchen" zurück, das wie pēniculus "kleine Bürste" ein Diminutivum ist und sich letztendlich von lateinisch pēnis "Schwanz, Bürzel, Schweif, Rute, Penis" ableiten lässt.

Lateinisch pēnicillus kommt über altfranzösisch pincel ins Mittelhochdeutsche, wo pënsel/bënsel belegt ist, und seit dem 13. Jahrhundert ist der Pinsel als Malwerkzeug unermüdlich im Einsatz, denn es bedarf vieler Pinselstriche, bis ein Gemälde vollendet ist. Findet das Kunstwerk Anklang, erntet der Meister oder die Meisterin Lob und fühlt sich gebauchpinselt.

Nun lebt der Pinsel als feiner Haar- und grober Borstenpinsel auch in anderen europäischen Ländern. In Schweden gestaltet Carl Larsson mit seinem pensel mit Vorliebe Wohnräume und Interieur. Pablo Picasso wird von vielen Musen geküsst. Seine Schaffenskraft ist gigantisch, und sein pincel kommt selbst im hohen Alter kaum zur Ruhe. In Frankreich betupft Georges Seurat pointillistisch mit einem pinceau die Leinwand, und in Italien bleibt Modigliani nicht viel Lebenszeit, seinen pennello zum Einsatz zu bringen. Da hat unser Einfaltspinsel ein vergleichsweise gemütliches Leben.

Hoppla, wir dürfen die Briten nicht vergessen. Wie gehen die Inselbewohner mit dem Pinsel um? In der englischen Sprache bezeichnete das Wort pencil im frühen 14. Jahrhundert einen feinen Pinsel aus Kamelhaar, den man wohl auch zum Schreiben verwendete. Die Entdeckung von großem Graphitvorkommen etwa um die Mitte des 16. Jahrhunderts ermöglichte den Engländern die Nutzung des Minerals für ein neues Schreibgerät, den Bleistift, auf den die alte Bezeichnung pencil übertragen wurde. In Deutschland werden die englischen Bleistifte gegen Ende des 17. Jahrhunderts bekannt. Aber es dauerte noch ein paar Jahrzehnte, bis die ersten Bleistiftfabriken im 18. Jahrhundert entstanden.

Heute sind alle Erstklassler stolz auf ihr gut bestücktes Federpennal (pencil case). Ich lernte mit einem Hardtmuth-Bleistift, Härtegrad Nummer 2 schreiben. Und wenn der Bleistift ein Stummel in Fingerlänge war, steckte ich ihn in einen hölzernen Bleistifthalter, den ich heute noch in meiner Schreibtischlade aufbewahre.

Die Antibiotika haben ihre Wirkung gezeitigt. Das Fieber ist gesunken. Der Schleim im Hals ist locker. Lust auf Süßes überfällt uns. Ein paar Vanillekipferl sind noch da. Wir zählen heute keine Kalorien.

Vanillezucker ist eine unentbehrliche Backzutat. Aber lassen wir uns nicht täuschen! Heutzutage wird der Aromastoff Vanillin hauptsächlich synthetisch hergestellt, und nur in ganz feines Gebäck kommt das Extrakt der Bourbon-Vanille3.

Die Gewürzvanille stammt ursprünglich aus Mexiko und Mittelamerika. Auf aztekisch hieß die Königin der Gewürze cacixanatl "tiefgründige Blume". Montezuma4 (um 1465-1520), Herrscher über das Reich der Azteken, wird nachgesagt, dass er täglich zirka 50 Tassen einer Kakao-Vanille-Mischung getrunken habe. Eh klar. Einer, dessen Name bedeutet "er schaut finster drein wie ein Fürst", dem muss die stimmungsaufhellende Wirkung und der betörende Geruch der Vanille recht gutgetan haben. Trotzdem wird er von den spanischen Konquistadors umgebracht.
Am Rande: Montezumas Rache als Bezeichnung für Reisedurchfall geht auf selbigen Herrscher zurück. Im Moment machen aber nur unsere Gedanken eine Fernreise nach Mexiko. Wir bleiben von der Diarrhö verschont.

Die Spanier nannten diese Schote, die sie bei den Azteken kennenlernten, wegen ihrer Form vainilla "kleine Scheide". Das Wort ist ein Diminutivum von spanisch vaina "Hülse, Scheide", und letztendlich führt uns die Spur zu lateinisch vāgīna "Ährenhülse, (Schwert-)Scheide". Der medizinische Fachausdruck für das weibliche Geschlechtsteil lautet jedoch in Spanien vagina, wohingegen sich vaina in anderen Bedeutungsbezirken behauptet als "Hülse, Umhüllung, Futteral".

Wahrscheinlich war es der Konquistador Hernán Cortés (1485-1547), der eine Handvoll Vanilleschoten Anfang des 16. Jahrhunderts mit nach Europa brachte. Er soll süchtig gewesen sein nach dem köstlichen Vanille-Trunk, den ihm Montezuma anbot. Zunächst blieb der Genuss von Vanille der reichen Oberschicht Spaniens vorbehalten. Erst nach Mexikos Unabhängigkeit (1810) fanden Stecklinge den Weg in die botanischen Gärten von Antwerpen und Paris. Über französisch vanille kommt das Wort Vanille auch ins Deutsche und fühlt sich in der Küche recht wohl.

So eine Vanilleschote gibt einiges her. Sie birgt nicht nur schwarzes, öliges Mark im Inneren, das vorsichtig herausgekratzt werden muss, nein, auch die Kapsel selbst ist in getrocknetem Zustand mehrfach verwendbar und schenkt ihr Aroma gern Flüssigkeiten wie Milch, wenn Sie sie aufkochen.

Vielleicht haben Sie Lust bekommen auf Desserts mit Vanillegeschmack. Auf Crème brûlée beim nächsten Restaurant-Besuch. Ich werde mir abends ein Vollbad einlassen. Der Badezusatz, Duftnote Vanille, der kommt mir jetzt zupass. (Sonja Winkler, 16.1.2017)