
Jan Philipp Gloger inszenierte am Schauspielhaus Düsseldorf Elfriede Jelineks "Das Licht im Kasten (Straße? Stadt? Nicht mit mir!)".
"Straße? Stadt? Nicht mit mir" hat Elfriede Jelinek dem Titel ihres neuesten Theatertextes Das Licht im Kasten in Klammern beigefügt. Ist es nicht am klügsten, fragt die Autorin – und meint damit wohl auch sich selbst –, sich der Straße zu verweigern, sich selbst nicht mehr in der Öffentlichkeit zu Markte zu tragen, sich zurückzuziehen? Der Spaß an Kleidung und Mode bleibt ja. Man kann doch auch von zu Hause aus – online – bestellen!
Der Titel Das Licht im Kasten spielt auf den Bildschirm an, auf dem solche Bestellungen aufgegeben werden, er meint aber auch einen bestimmten Leuchtkasten in einer U-Bahn-Station, der ein Bikiniplakat für das Textilunternehmen H&M mit dem Model Gisele Bündchen zeigt. Mit solchen Vorgaben der Werbung kann niemand mithalten, man empfindet nur das Ungenügendsein. Und doch, obwohl Körper und Mode Gegensätze sind, bestimmen uns solche Vorgaben.
Älterwerden und Mode
Für Jelinek war und ist Mode ein existenzielles Thema. Das eigens für Düsseldorf, die Stadt der Modemessen, gefertigte Stück ist dabei schon ein bisschen abgetragen: Der Beginn ist nämlich textidentisch mit dem 2012 in München uraufgeführten Werk Die Straße. Die Stadt. Der Überfall. Damals hatte Elfriede Jelinek die Münchner Maximilianstraße und ihre Boutiquen mit dem Mord an dem Modedesigner Rudolph Moshammer verknüpft. Das Düsseldorfer Licht im Kasten erscheint dagegen fast als Lustspiel, in dem es zwar ums Älterwerden und den Tod geht, wo die sonst bei ihr vorherrschenden großen politischen und existenziellen Katastrophen (Kinderschändung, Inzest, Terror, Flüchtlingstragödien) aber fehlen. Die mörderischen Arbeitsbedingungen, unter denen Kleidung hergestellt wird, werden zwar angetippt, aber von uns Modenarren sofort auch wieder zur Seite geschoben.
Anprobieren, Sich-Behaupten und Sich-Präsentieren sind ja vor allem sehr theatralische Stoffe, und Regisseur Jan Philipp Gloger weiß diese sehr abwechslungsreich zuzuschneidern. Er erfüllt dabei einige Male sogar einen Wunsch Jelineks, den sie als Regieanweisung zu Das Licht im Kasten notierte: "Am liebsten ließe ich nur Plüschtiere, also Schauspielerinnen und Schauspieler als Plüschtiere auftreten, aber nie werde ich das bekommen!" Mitten im Schwarzwald, in einem üppig wuchernden Busch-und-Baum-Dickicht, das Bühnenbildnerin Marie Roth vor ein lichtdurchflutetes Appartement gestellt hat, treten die Schauspielerinnen tatsächlich als Bär, Fuchs und Hase, aber auch als die Philosophen Martin Heidegger und Immanuel Kant auf.
"Mach mal was Halblanges"
Vergnüglich, sehr effektvoll und bewundernswert präzise baden alle sieben Schauspielerinnen – von der Kinderdarstellerin bis zur Altersgenossin der Autorin – im "Wörter-See" des kalauernden Textes und lassen "Sprach-Kracherln" (so Jelinek) sprudeln. Beeindruckend sind aber besonders die Kostüme von Esther Biallas. Verblüffend treffsicher schickt sie immer wieder neue, doch irgendwie unpassende Mode auf die Szene und lässt diese anprobieren, aber auch alle Darstellerinnen sich mit dem gleichen roten Faltenrock mit helllila Bluse abquälen.
"Schnauze, Elfi, mach mal was Halblanges, nicht immer so was Langes", ruft sich im Stück die Autorin selbst zu; doch es sind diesmal zwei kurzweilige, schnell verfliegende Stunden. Das Licht im Kasten ist jedenfalls ein locker-luftiges, fast sommerliches Textgewebe, vielleicht nicht für draußen, nicht für die Straße, aber durchaus schick für interne Partys und gesellige Anlässe. (Bernhard Doppler aus Düsseldorf, 16.1.2017)