Eine fix ins Team aufgenommene Psychologin und Möwe-Mitarbeiter als externe Berater sollen bis zur Entscheidung über die Zukunft der betreuten WG Steinergasse die Schäden begrenzen.

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Wien – Einem STANDARD-Bericht über Missstände im Hernalser Wohnheim Steinergasse folgend, wird sich das Diakoniewerk aus der stationären Behindertenbetreuung in Wien zurückziehen. Wie es zu den strukturellen Mängeln in der Pflege behinderter Minderjähriger kommen konnte, werde untersucht; Einrichtungsleitung und Regionalgeschäftsführung seien ihrer Verantwortung entbunden worden, sagt Diakoniewerk-Sprecherin Daniela Scharer, und Mitarbeiter des Kinderschutzzentrums Möwe wurden als externe Berater engagiert.

Parallel dazu arbeite ein Krisenteam intensiv an einer langfristigen Lösung. Der Weg dorthin werde jedenfalls nicht in einem "zu aufwändigen und zeitintensiven Restrukturierungsprozess" innerhalb des Wiener Ablegers der evangelischen Hilfsorganisation liegen, sondern in der Suche nach einem gänzlich neuen Träger. Gemeinsam mit dem Jugendamt (MA 11) werde derzeit nach einem solchen gesucht. "Idealerweise können die Kinder an dem Ort bleiben, den sie kennen", sagt MA-11-Sprecherin Herta Staffa.

Widersprüchliche Aussagen

Laut Diakoniewerk war es ein Konflikt zwischen der bis August 2016 tätigen Leiterin des Hauses und Mitarbeitern, der zur Personalfluktuation und schließlich dazu führte, dass die Betreuung der Bewohner wegen Überforderung und Personalmangels nicht mehr gewährleistet werden konnte. In der Belegschaft wurde das allerdings anders wahrgenommen: Die bis dahin tätige Leiterin "war vielmehr bemüht, die Steinergasse neu zu organisieren und zu einer Spitzeneinrichtung zu machen", sagt eine Person aus dem Umfeld des Hauses zum STANDARD. Erst nach dem Abgang dieser Leiterin "kam der Absturz. Der Prozess wurde nicht weiterverfolgt, Arbeitsgruppen gestrichen, Verbesserungsvorschläge blockiert. Das Ziel der Geschäftsführung war offenbar, die Einrichtung mit möglichst wenig Aufwand zu betreiben. Die medizinische Notlage eskalierte."

Obwohl die Heimleitung nur interimistisch besetzt wurde, erfolgte eine Neuausschreibung der Stelle erst im November, als bereits das Jugendamt auf den Plan trat. Dass die Behörde wegen mangelnder Kontrollen mitverantwortlich an den Missständen war, will eine ehemalige Leiterin des Hauses nicht gelten lassen: "Es fanden regelmäßige Begehungen, Fachgespräche und Fallverlaufskonferenzen statt."

Praktika abrupt beendet

Kritik äußert ein Insider an der Stellungnahme des Diakoniewerks, wonach "den betreuten Kindern und Jugendlichen kein Schaden entstanden ist". Nicht nur konkrete Vernachlässigungen wie falsche Medikation oder mangelnde Flüssigkeitszufuhr hätten den Kindern Schaden zugefügt, sondern auch die spontan angeordnete Umsiedlung von fast der Hälfte der Bewohner in neue Einrichtungen. Sogar Abschiedsfeste haben abgesagt werden müssen.

Abrupt war auch das Ende dreier Praktika von Schülern der Schule für Sozialbetreuungsberufe in Wien-Favoriten. Sie wurden Ende 2016 aus der Steinergasse abgezogen, "weil eine kontinuierliche Anleitung durch eine diplomierte Pflegekraft nicht mehr gewährleistet war", bestätigte das Direktorat am Montag. (Michael Matzenberger, 17.1.2017)