Das Wohl und Wehe bei Raiffeisen hängt auch an den politischen Entwicklungen in Osteuropa.

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Wien – Im Bankensektor von Raiffeisen finden massive Umbauarbeiten statt – vor und hinter den Kulissen. Ersteres betrifft die Fusion des Sektor-Spitzeninstituts Raiffeisen Zentralbank (RZB) mit der Raiffeisen Bank International (RBI), die nächste Woche von den Aktionären beschlossen werden soll. Letzteres hängt damit unmittelbar zusammen: Es geht um die Verteilung der Sektoraufgaben, die derzeit noch die RZB erledigt.

Vor allem die großen Raiffeisenlandesbanken (RLBs) sind daran interessiert; erwogen wird aber auch die Gründung einer Genossenschaft in Linz. Dort ist die RLB Oberösterreich daheim, deren Chef, Heinrich Schaller (wie sein Bruder Martin von der RLB Steiermark) einer der mächtigen Männer im Sektor ist.

Vermögen geht auf RBI über

Zu den Aufgaben des Spitzeninstituts zählt die Erbringung von Dienstleistungen für die Bankengruppe, etwa Beratung bei regulatorischen und Compliance-Fragen oder Marketing. Zudem hält und koordiniert die RZB die Mindest- und gesetzliche Liquiditätsreserve der Institute. Zur Erinnerung: Der Sektor besteht aus 477 "kleinen" Raiffeisenkassen, ihnen gehören die acht Landesbanken, denen wiederum die RZB gehört. Sie hält rund 61 Prozent an der RBI, der Rest steht in Streubesitz. Ihr Vermögen geht bei der Verschmelzung auf die RBI über.

Aus den Fusionsunterlagen zur Bewertung der beiden Institute geht hervor, mit welchen Wachstumsraten die RBI für ihr Geschäft in Osteuropa rechnet. Die Bilanzsumme in Ungarn etwa soll heuer um 3,1 Prozent wachsen (2016 waren es 1,4 Prozent), nach zwei Jahren mit je rund drei Prozent sollen es 2019 fast acht Prozent sein.

Wachstum eingepreist

In Russland (2014 wuchs die dortige Bank um fast 43 Prozent, 2015 schrumpfte sie um 4,4 Prozent, im Vorjahr legte sie um 14,8 Prozent zu) rechnet man heuer mit einem Plus von 0,9 Prozent, danach mit einer Wachstumsrate von 8,5 Prozent (2018). Die Bank in der krisengeschüttelten Ukraine soll sich weiter erholen, die Bilanzsumme heuer um 20 Prozent zulegen und sich in den folgenden Jahren bei einem Plus von um die zehn Prozent einpendeln. Die Kreditrisikovorsorgen der RBI sollen in den kommenden Jahren sinken, ihre Erträge steigen.

Auf Basis dieser "langfristigen Ertragserwartungen" haben die Gutachter auch einen Unternehmenswert abgeleitet, der über dem Wert der Marktkapitalisierung der börsennotierten RBI liegt. Die Experten der Wirtschaftsprüfungskanzlei BDO kamen auf einen Unternehmenswert von 6,2 bis 7,1 Mrd. Euro; jene von EY von 6,4 bis sieben Milliarden. Eine RBI-Aktie ist demnach rund 21 bis 24 Euro wert. Die RZB ist gemäß BDO 4,6 bis 5,3 Milliarden Euro wert – eine Aktie somit 682 bis 784 Euro . Das Contributed Business (also das von der RZB eingebrachte Geschäft) wurde von EY mit 742 bis 826 Millionen Euro bewertet.

Mögliche Schwachstellen

Der von RZB und RBI gemeinsam ausgesuchte und vom Handelsgericht Wien bestellte Verschmelzungsprüfer, der diese Angaben plausibilisieren muss, hat das alles für okay befunden. Er weist in seinem Bericht allerdings auf mögliche Schwachstellen hin.

Denn das Contributed Business der RZB hänge "in hohem Maße" von der wirtschaftlichen Entwicklung der Raiffeisen Bausparkasse ab. Sollte sich die "wesentlich ändern", hätte das auch Einfluss auf die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses, schreibt der Prüfer in seinem Bericht vom 15. Dezember 2016. Wie berichtet soll es für eine RZB-Aktie 31,55 RBI-Papiere geben.

Und: Da beim RBI-Wert eine Reduktion der operativen Kosten und der Risikokosten eingerechnet ist, "hätte eine wesentliche Verschlechterung der politischen Rahmenbedingungen, etwa in Russland, erhebliche Einflüsse auf den RBI-Unternehmenswert", so Verschmelzungsprüfer Werner Festa von der Wiener Kanzlei Interfides.

Alles in allem sei das vorgeschlagene Umtauschverhältnis aber "angemessen". Der "Hergang der Verschmelzung" entspreche "bis zum heutigen Tage den gesetzlichen Anforderungen". (Renate Graber, 17.1.2017)