Bild nicht mehr verfügbar.

An der Gedächtniskirche am Berliner Breitscheidplatz erinnern immer noch zahllose Kerzen und Blumen an die Opfer des Attentats vom 19. Dezember. Zwölf Menschen starben.

Foto: AP / Maurizio Gambarini

Hätte das Lkw-Attentat auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz verhindert werden können, wenn die deutschen Behörden im Fall des tunesischen Flüchtlings Anis Amri genauer hingeschaut hätten? Mit dieser Frage, die Deutschland seit dem Anschlag am 19. Dezember bewegt, wird sich nun eine Taskforce befassen.

Diese Vorgangsweise wurde am Montag vom zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) des Bundestags beschlossen, teilte dessen Chef Clemens Binninger (CDU) mit. Das PKGr verspricht sich demnach von einer solchen Taskforce schneller Ergebnisse als durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Zuvor stand auch ein U-Ausschuss im Raum. Die Fraktionsspitzen von Union und SPD zeigten sich zunächst dafür offen, verständigten sich am Dienstag aber darauf, das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages zur Überwachung der Geheimdienste damit zu betrauen. Die spätere Einsetzung eines Untersuchungsausschusses werde damit nicht ausgeschlossen.

Die beiden Minister Thomas de Maizière (CDU/Inneres) und Heiko Maas (SPD/Justiz) haben mittlerweile eine Chronologie zu den Behördenabläufen seit Amris Einreise nach Deutschland im Sommer 2015 veröffentlicht.

Ersichtlich ist, dass Amri seither fast wöchentlich Thema bei den deutschen Behörden war. Viele Informationen über ihn stammen von einem V-Mann, den der Staatsschutz in Nordrhein-Westfalen auf ihn angesetzt hatte.

Amri wollte "was machen"

Dieser berichtete, Amri wolle "hier" (in Deutschland, Anm.) "was machen", er sei daran interessiert, sich der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) anzuschließen. Er habe erklärt, er könne "problemlos eine Kalaschnikow in Napoli" besorgen. Und er mache den Eindruck, dass er "unbedingt für seinen Glauben kämpfen" wolle. Sein Handy wurde abgehört, er selbst als "Gefährder" eingestuft, siebenmal befasste sich das Terrorabwehrzentrum mit ihm. Doch letztendlich erklärte das Bundeskriminalamt, ein "gefährdendes Ereignis" sei "eher auszuschließen".

Eingestellte Observation

Zum einen hielt man die Quelle nicht für allzu vertrauenswürdig, zum anderen berichtete diese später auch, bei Amri seien "religiöse Fragen", sogar während des Ramadan, in den Hintergrund getreten, er wolle in seine Heimat Tunesien zurückkehren.

Die Observation wurde eingestellt, als Amri nicht mehr durch Attentatspläne auffiel, sondern durch Drogenhandel. Er selbst habe laut Behörden Kokain und Ecstasy genommen. Den Verdacht, dass auch Amri selbst V-Mann war, verneinen sowohl das Innenministerium als auch die Polizei von Nordrhein-Westfalen. Am 19. Dezember kam es zum Anschlag, dabei starben zwölf Menschen, mehr als 50 wurden verletzt.

CDU-Mann Binninger nennt es eine "tragische Fehleinschätzung", dass Amri nicht abgeschoben wurde, und sieht ein Versagen der SPD-geführten Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen. Die SPD hingegen erklärt, im Terrorabwehrzentrum, das dem CDU-Minister de Maizière unterstellt ist, habe es Versäumnisse gegeben. (Birgit Baumann aus Berlin, 16.1.2017)