Wien – Für die Niederlage bei der Ausschreibung von bis zu 300 Elektrotriebzügen für den Nah- und Regionalverkehr der ÖBB im Herbst wird Siemens reichlich entschädigt: Der deutsche Elektromulti bekam den Zuschlag für 200 Güterloks. Die Siemens AG Österreich sei der in Aussicht genommene Bestbieter, teilte die ÖBB am Dienstag mit.

Vorbehaltlich allfälliger Einsprüche beim Bundesverwaltungsgericht gegen die gemäß Ausschreibungstext auf gut 570 Millionen Euro taxierten Zuggeräte kann die ÖBB bei Siemens offiziell bestellen. Für eine Anfechtung haben Bombardier und Co zehn Tage, also bis 26. Jänner, Zeit, so lang läuft die Stillhaltefrist gemäß Vergabegesetz. Danach erfolgt der endgültige Zuschlag.

Ob Herausforderer Bombardier bei Gericht eine offiziell Nachprüfung genannte Anfechtung vornimmt, war am Dienstag nicht auszumachen. Die Frist laufe noch, verlautete aus Kreisen des kanadischen Zugbauers.

Knapper Abstand

Laut STANDARD-Informationen aus ÖBB-Kreisen war der Abstand zwischen den Anbietern denkbar knapp. Dem Vernehmen nach trennt die beiden Konkurrenten ein Preisunterschied von 1,5 Prozent. Beim Schnellbahnauftrag im Oktober war die Differenz, wie berichtet, erheblich gewesen, da war Siemens mit ihrem Desiro insbesondere bei den Langzügen deutlich teurer als Bombardier mit dem Talent 3 und rangierte damit hinter Stadler Rail nur auf dem dritten Platz. Das Gesamtvolumen des Bombardier-Rahmenvertrags beträgt zwei Milliarden Euro für bis zu 300 S-Bahn-Garnituren.

Die 200 Güterzugloks sind der zweite Auftrag binnen Monatsfrist, mit dem Siemens-Österreich-Chef Wolfgang Hesoun in der Konzernzentrale in München punkten kann.

Dauerauftrag

"Rückfall in alte Zeiten" und "Dauerauftrag für Siemens" nennt man die jüngste Vergabe in Bahnkreisen. Wie berichtet, hat der ÖBB-Teilkonzern ÖBB-Personenverkehr vor Weihnachten quasi über Nacht um 400 Millionen Euro 64 weitere Desiro-Triebzüge aus einem alten Rahmenvertrag mit Siemens aus dem Jahr 2010 bestellt – obwohl zwei Wochen davor erst der neue Rahmenvertrag mit Bombardier fixiert worden war. Die ÖBB-Cityjet genannten Siemens-Desiro sollen in Ostösterreich zum Einsatz kommen. Zuvor hatte Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) signalisiert, dass sich die öffentliche Hand an der Anschaffung im Wege der bis 2019 abzuschließenden Verkehrsdienstverträge finanziell beteiligen werde. Dass Bundesländer bei Zügen mitzahlen, ist Usus. Auch Vorarlberg zahlt ab 2019 bei den 21 Bombardier-Langzügen um 150 Millionen Euro mit. (ung, 17.1.2017)