Markus Prachensky: "Swing de Provence" (2007). Seit den späten 1950er-Jahren war Rot die Farbe seines Lebens.

Foto: Albertina, Wien - Schenkung des Künstlers © Atelier Markus Prachensky

Markus Prachensky: "Rot auf schwarz-Puglia" (1976).

Foto: Atelier Markus Prachensky

Markus Prachensky: "Amanpuri" (1999).

Foto: Albertina, Wien - Schenkung des Künstlers © Atelier Markus Prachensky

Wien – Die Formen südlicher Landschaften, sardinische Felder, römische und griechische Tempel, megalithische Dolmen, Meere, Felsschichtungen und -formationen; alles färbte sich im Blick des österreichischen Malers Markus Prachensky rot, verwandelte sich unter seinen kräftigen Pinselschlägen, zarten Strichen, sanften Schwingungen in seine abstrakte Bildwelt, benannt nach den Orten der Erinnerung.

Prachensky war ein Vielreisender, seit den 1950er-Jahren besuchte er fast jährlich Rom, ließ sich von den antiken Bauwerken – und der römischen Lebensweise – inspirieren. Reisen war seine künstlerische Überlebensstrategie. Bis zuletzt und schon gezeichnet von seiner schweren Lungenerkrankung, war er unterwegs, sammelte Motive, Eindrücke, Anregungen. Noch unterwegs füllte er unzählige Notizblöcke, das Zeichnen und Skizzieren diente ihm als formale Gedächtnisübung. Denn Prachensky malte wohl nach, aber nie in der Natur. Er brauchte die Abgeschiedenheit des Ateliers, wo ihn dröhnend laute Musik – Dixie, Klassik – während seiner furiosen Malprozesse von der Umwelt abschirmte.

Die Musik wiederum wählte er im Wissen dessen, was er malen wollte. Die swingende, gestische Serie California Miles beispielsweise schuf er zu Musik von Miles Davis, Bach-Kantaten hörte er während der Arbeit an dem formal strengen Zyklus Umbria Cantata. Bereits seit 1958 entwickelte Prachensky seine abstrakt-expressive Bildsprache in vehementem, radikalem Rot. Nur zögerlich und sparsam komponierte er später andere Farben dazu, Blau, später Grün, auch Braun, Lila, Gelb, Schwarz natürlich. "Aber Rot ist die Farbe meines Lebens. Mit dieser Farbe habe ich angefangen, mit ihr werde ich sterben. Da gleite ich dann hinüber ins Jenseits, so es eines gibt, was ich sehr bezweifle", sagte er bei einem meiner letzten Atelierbesuche.

Farbe und Form

Farbe und Form, Fläche und Raum bestimmen Prachenskys künstlerisches Vokabular, Rot auf Weiß, auf Grau, Acryl oder Tusche auf Leinwand oder rußgeschwärztem Bütten: Kuratorin Antonia Hoerschelmann dokumentiert nun im Appendix der Basteihalle in der Albertina Prachenskys betörend aufregende, Jahrzehnte überspannende, rot-rote Lebensreise mit Zitaten aus seinen Werkzyklen. Es ist eine kluge Auswahl aus der hauseigenen Sammlung sowie mit Werken, die Prachenskys Witwe der Albertina geschenkt hat, darunter das Bild Red on White. Es entstand 1969 während eines zweijährigen Los-Angeles-Auf enthaltes, inspiriert hatten ihn dazu die abgeschliffenen Steinformationen der Wüste. Wie zur Einstimmung auf die kleine, feine, chronologisch aufschlussreiche Retrospektive hängt das Werk im Pop-Art-Raum – und beweist trefflich, dass Prachensky dem Vergleich mit den Großen der internationalen Kunst locker stand hält. Prachensky sollte übrigens später mehrmals an die Westküste zurückkehren, wie die Zyklen California revisited (2001) und California Miles (2002) zeigen.

Markus Prachensk: "Red on White – Los Angeles I" (1969).
Foto: Albertina, Wien - Schenkung des Künstlers © Atelier Markus Prachensky

Geboren 1932 in Innsbruck, studierte er ab 1952 in Wien: Malerei bei Albert Paris Gütersloh und Josef Dobrovsky, zunächst aber, dem Willen des Vaters gehorchend, Architektur. Nicht Häuser interessierten ihn, sondern Städtebau, also "Formen, die mit der Landschaft verbunden sind." Dass – und wie sehr – architek tonisches Denken und Sehen seine Malweise nachhaltig beeinflusste, spiegelt auch schon sein streng geometrisches, konstruktivistisches Frühwerk (etwa Großes Bild in Grau, Blau und Schwarz (1954/1955) wider.

Legendäre Künstlergruppe

Gemeinsam mit seinen Studienkollegen Wolfgang Hollegha, Josef Mikl und Arnulf Rainer gründete Prachensky, Träger des Großen Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich, die legendäre Künstlergruppe rund um Monsignore Mauers Galerie nächst St. Stephan. "Es war", sagte er, "eine Art Solidarité de la Rasse. Nach dem Krieg gab es ja noch so viel Nazigesindel! Ich hatte immer meinen Reisepass in der Tasche, um sicher zu sein, dass ich jederzeit verschwinden kann." Immer wieder lebte er Monate, Jahre, im Ausland, befreundete sich mit den Meistern seiner Zeit: Alberto Giacometti, Pierre Soulages, Georges Mathieu, Hans Arp.

Prachensky, dieser weit über Österreichs Grenzen hinaus bedeutende Maler, war ein bis zuletzt Schaffender. "Die Kunst", sagte er, "muss das ganze Leben sein. Oft frage ich mich: Beherrscht mich die Malerei oder beherrsche ich sie? Wäre ich kein Atheist, würde ich sagen: In der Malerei geht es um die Schöpfung." (Andrea Schurian, 18.1.2017)